A (not so) minimalistic blog from US (USBlog)
Tag 0, Mo. 25.08.: Arrival
I had a pleasant flight, but faced some trouble at the border. After a long wait for my rental car—over an hour—I was absolutely flabbergasted by the massive six-lane highway. At the end of the day, I'm very tired, but I plan to stay up late to help push back the jetlag.
Tag 1, Di. 26.08.: First day at SLAC
Waking up.. at 4:30 in the morning. I guess my sleeping habits from last week killed my plan to escape the jetlag early. After 5h of sleep, my body seems to think "enough!". Since I have no food, I use the time to find out about local supermarkets, and at 6:30 I jump into my car.
Back home at 8:40. Found something to eat! Took me ages, but I did it! Quick breakfast, I told Andy and Sebastian I would be at SLAC at 9 AM.
Arriving at SLAC at 9:15. Guards dont want to let me in, but Sebastians email from an hour before saved me. Next two hours is getting to know my collegues for the next months - and learning that administration can be a showstopper as everywhere (or worse). Someone who is not there must give their OK for me to get assigned a number. Without that number I cannot do trainings, so I cannot get a badge, so I cannot enter the campus.
Back home at noon, figuring out which of the mobile prepaid card works for me and my old european phone. It takes me 4 hours of driveing across the city - to find tmobile as my only option, so now I pay a ton of money to get super slow mobile data. But I have a phone number! Since I have the time and I'm downtown anyway, lets buy some more groceries for the next days. Finally back home at 6:30, I get to cook for the first time. It's just vegetable pimped pasta, but hey, warm food, self prepared.
After dinner, I meet with Hugo, my Host, to chat about what I can and what I should not do. I learn there are fig, pear, orange and plumb trees hidden in the garden, and as proof I get 6 monstrous plumbs.. yum! Time for bed.. as after 9, its pretty much dark here and also getting cold. Let's do some resarch on my laptop...
Tag 2, Mi. 27.08.: Waiting
Waking up at 5. Well, at least its later than yesterday! Realising I fell asleep over my laptop. Entangled myelf in the charging cord of my phone. Hmnja..
So what next? What about.. Creating a simplisitic Mini Blog? Ask AI to help, 30 minutes later: done, already online.
Still no email from SLACs administration. So no point in going to SLAC. Hm. Finding out that my SMS find their way to others, but their replies dont reach me yet.. But Andy calls me at 9, telling me someone is looking into my case and there should be a final approval 'soon'. Maybe I can officially enter SLACs premises after all?
So I have the time to do... what, exactly? I still have to finish some paperwork for the conference in October.. But I just cannot concentrate. So lets see the ocean! Its not far, just across the hills. But what hills are these! Beautiful forest, majestic redwoods, super nice air, calm and peaceful atmosphere.. at least the name Redwood City makes sense now. Being up the hill (after 30 minutes drive) I ask myself if I should try to work a bit now. I realize that I have exactly zero reception, and decide to move on to see the water. After 20 more minutes of serpentines, it suddenly flattens out and I'm close to the coast.. but beach access is prohibited due to some construction work. After trying the next beach access point 2 miles south with the same result, I decide to give up and drive north towards Half Moon Bay. After turning around, I cannot believe my eyes: A picturesque coastline is in front of me. After driving 5 miles, I finally find an open beach access point and get my feet wet. What a feeling!
Having spent some time at the beach, I climb back to the car and drive to San Carlos Best Buy (like MediaMarkt). There, I find a cheap mobile phone but I don't buy it yet - maybe a colleague has an old phone sitting ducks. For my next beach visit (hopefully with a working phone, so I can do Home/Beach office) I grab a cheap foldable chair at target. Then: back home.
(Jetzt merke ich gerade, dass alles was ich schreibe fuer Deutsche ist - ich wechsel mal unbemerkt die Sprache.)
Um 4 Uhr bin ich wieder im Bayview Way. 5 Minuten nachdem ich ankomme, kommt auch eine Email von Andy: Meine Accountnummer ist da, ich kann endlich mit den Trainings anfangen!
Um 7 Uhr bin ich mit den ersten beiden Trainings durch. Besonders das IT training war sehr ermuedend.. eine KI stimme liest KI generierte Texte vor. Damit das interessant wird, wird dazu ein KI generiertes Video gezeigt. Egal, ich habe es hinter mir. Ein Training fehlt noch, aber ich weiss nicht, welches es ist. Egal, ich werde sowieso gerade muede, ich leg mich mal kurz hin...
Um 10 Uhr schrecke ich hoch. Ich habe von Hackern getraeumt, die freche KI generierte Kinder zu mir schicken, die in meiner Wohnung Roller fahren. Wache zu drei vierteln auf und aergere mich, dass ich nichts fuer morgen gekocht habe, aber nu ists zu spaet. Ich starte das letzte Training, dessen Namen Andy mir per Email netterweise in der Zwischenzeit verraten hat. Geschaetzte Dauer: 2h... Los gehts!
Um 2:30 Uhr schrecke ich hoch. Lucy, der Hund von Hugo und Caroline, bellt und rennt in der Wohnung ueber mir hin und her. Ich liege mit dem Gesicht auf der Laptoptastatur. Super, das scheint zur Gewohnheit zu werden. Ich putze Zaehne und beende den Tag offiziell durch ein routiniert energetisches Zuschmeissen des Laptops.
Tag 3, Do. 28.08.: Mein erster (ganzer) Tag am SLAC
7 Uhr: Ich wache auf. Wundere mich - es ist eine gute Zeit, um aufzuwachen. Mache Fruehstueck und schmiere Brot fuer heute mittag. Waehrend ich esse, beende ich das Training von heute Nacht. Immernoch sterbenslangweilig, kein Wunder, dass mein Kopf heute Nacht darueber in den Standymodus geschaltet hat.
Beim SLAC Haupteingang dann die Ueberraschung: Ich muss zwar wieder meinen Pass zeigen, der wird mir aber nach kuerzester Zeit wieder gebracht mit den Worten "You're all set!". Im Badging Office erhalte ich ohne weitere Probleme meine Zutrittskarte fuer meinen Aufenthalt - Juhuu! Andy holt mich ab und navigiert mich zu Gebaeude 15 - meinem neuen Arbeitsplatz. Auf dem Weg dahin darf ich meine frisch gedruckte Karte benutzen, um die Schranke zur Accelerator Area zu oeffnen. Mit Erfolg!
Gebaeude 15 ist eine alte Lagerhalle, das Erdgeschoss ist voll mit Krams (im Sinne von extrem teurem Krams, der fuer den gemeinen Buerger nach technischem Sondermuell aussieht) und im Stockwerk darueber sind Bueros. Eins davon ist ab jetzt meins. Mir werden dutzende Leute vorgestellt, deren Namen ich fast alle wieder vergessen habe. Dann richte ich mir meinen Arbeitsplatz ein. Bildschirme, Tastatur, hoehenverstellbarer Schreibtisch, WLAN. Dann noch mehr Onlinezugaenge. Und endlich etwas Fachliches: Ich darf mich einlesen in die Systemarchitektur und wie genau der LCLS Resonanzregler funktioniert. Das beschaeftigt mich fuer den Rest des Tages. Zumindest des Arbeitstages.
Anstatt um 6 einfach nach Hause zu fahren, fahre ich doch zu best buy und kaufe mir zum zweiten mal in meinem Leben ein nagelneues Smartphone. Schnell auf dem Parkplatz noch die SIM-Karte umbgebaut und e voila - flottes Internet und bester Empfang. So kann ich am Wochenende beruhigt auch ein paar abgelegenere Ecken (alles was nicht 100m neben einem Funkmast ist) erkunden mit der Chance auf zumindest Telefonempfang. Und unter der Woche koennte dann eben auch mal das Beach Office in Anspruch genommen werden..
Fuers Abendessen kaufe ich noch kurz ein - auf dem Weg dahin klackert das Auto. Na super. Auf dem Parkplatz dann die Erkenntnis: Nicht wie gedacht ein Stein im Profil oder eine Windel auf dem Kuehlergrill, sondern eine Schraube im Reifen. Zum Glueck in extrem flachem Winkel, und nach 5min daran herumprokeln (ohne Schraubenzieher oder Zange) ist der ungebetene Gast auch wieder entfernt. Glueck gehabt? Mal sehen ob morgen noch Luft auf dem Reifen ist..
Um 8 zu hause, schnell noch was kochen. Wieder nur Nudeln, alles andere dauert zu lange. Ich schnippel und werfe ein paar Gemueses zusammen und fertig. Fuehlt sich nicht nach was besonderem an, ist aber koestlich (vermutlich hat bei der Einschaetzung mein Hunger etwas mitgespielt). Jetzt noch den Blog von heute fertig schreiben - geschafft! Lege ich den Laptop jetzt, um 10, schon weg? Dann kann ich zumindest nicht darauf einschlafen. Aber dann wache ich morgen wieder so frueh auf..
Tag 4, Fr. 29.08.: Mein erster normaler Tag am SLAC
Augen oeffnen sich. Etwas ist komisch: Mein Kopf liegt weich gebettet auf dem Kopfkissen. Aber da ist noch etwas: Es ist hell. Der Blick wandert zum Fenster. Jalousien sind zu. Der Blick wandert zur Nachttischlampe. Dann zum Bauch: Ich habe noch mein T-Shirt von gestern an, das Licht angelassen, und... offenbar noch vor dem Einschlafen den Laptop zugeklappt auf dem Nachttisch abgestellt. Bin beeindruckt von mir, kann mich aber nicht daran erinnern, das selber so getan zu haben.
Die Uhrzeit gibt weniger Grund zur Begeisterung - 5. Erstmal leise die Kueche aufraeumen und mein Mittagessen einpacken. Ganz spontan schmeisse ich erst Haferflocken und Rosinen, dann Milch und zuletzt mich in Schale (heute mal in Jeans und Pulli - selbst morgens um 8 ist es naemlich noch recht kuehl, und im Buero bin ich gestern in kurzer Hose dank Klimatisierung fast erfroren) und springe um 20 nach 6 ins Auto. Scheibenwischer und Heckscheibenheizung sind noetig, alles ist taufeucht und allerwertestenkalt. Ab auf den Highway to Golden Gate Bridge!
Eine 3/4h und einige nahezu-Herzinfarkte auf dem Highway und im Stadtverkehr spaeter dann das ersehnte Gewebe aus Stahl: Was fuer ein Koloss. Und vor allem: was fuer ein Setting! Ich nehme mir fuer die kommenden Wochen fest die Golden Gate National Recreation Area - den Nationalpark noerdlich der Bruecke - als Ziel vor. Vielleicht buche ich auch ein Faehrticket nach Alcatraz. Aber wenn, dann nur mit return!
Um kurz vor 8 bummel ich wieder los, die Arbeit ruft. Obwohl: man darf ja mal improvisieren. Ich beschliesse, ein paar mal das quaekende Navi geflissentlich zu ignorieren und frei Schnauze abzubiegen. Erst macht das richtig Spass, ich duedel durch den huegligen Norden San Franciscos und sammle fliessig Eindruecke von zur Arbeit hastenden Eingeborenen. Dann holen mich jene in ihren Blechmonstern ein und wir stehen gemeinsam eine Weile lang zwischen verstopften Kreuzungen. Verwirrt schaut mich bisweilen niemand aus einem sowohl fahrer- als auch fahrgastlosen, vollautonomen Waymo-Taxi an (den Satz musste ich nach dem Schreiben dreimal lesen, bevor ich ihn verstanden habe). Auf der Interstate und dann dem Highway angekommen, rollt alles wieder. Puenklich um 9 komme ich beim SLAC an, wie ein Profi halte ich laessig meine Karte an das Terminal am Eingangstor, das mich daraufhin mit gruenem Licht und froehlichem Piepen begruesst.
Jorge, ein gleichaltriger Ingenieur vom SLAC, fuehrt mich durchs Labor und beantwortet mir alle Fragen. Dann stoepselt er ein Netzwerkkabel an meinen Laptop und forder mich auf, ein paar Befehle und Skripte auszufuehren. Funktioniert ungefaehr so wie in meinem Zimmer bei meinen Eltern auf dem Dachboden, alles ist wild zusammengekabelt, ueberall blinkt und brummt es, und die Laune aendert sich schlagartig, jenachdem, ob die kryptische Zeichenfolge auf dem Bildschirm gefaellt. Ich fuehle mich wohl. Nach dem ersten Praxistest erklaert er mir noch die Grundlagen des Kontrollsystems, und mein Kopf platzt ein bisschen. Fuer den Rest des Tages gibt er mir ausserdem noch 'ein bisschen' Lektuere mit auf den Weg - ich bin bedient, im positiven Sinne.
Als ich ins Auto steige, ist der Parkplatz bis auf ein anderes Auto komplett leer. Seltsam, ist doch Freitag, 6 Uhr abends, vor einem langen Wochenende (Montag ist Feiertag). Ich fuehle mich waghalsig und fahre zum ersten mal ohne Navi. Prompt verpasse ich meine Autobahnausfahrt und entdecke bei der naechsten als Wiedergutmachung eine wunderschoene Landschaftspassage, quasi direkt neben meiner Haustuer. Ich wusel mich durch steile verschlungene Berghaenge und lande zweimal in einer Sackgasse. Nagut, Navi doch an. Etwas spaeter als geplant komme ich zu Hause an. Schnell feste Schuhe an, 1km durchs noble Viertel latschen und dann rein in den Edgewood Park, den ich vorher im Auto unfreiwillig umkreist habe. Mein erster mini-Hiking Trip dauert 1.5h und endet um 8:15 an meiner Haustuer. Eindruecke von der Tour habe ich auf ein paar Fotos gesammelt - wunderschoen. Ein Highlight war das Rehkitz, das ploetzlich neben mir im Gebuesch stand. Aber natuerlich auch alles andere, das Abendlicht im Wald, der Blick auf die Bucht, ueber die Stadt, auf die Huegel.. Wenn ich dazu noch die Gerueche einfangen koennte.. Besonders diese Bluemchen riechen extrem stark und koestlich.. Suesslich, aber nicht schwer, wuerzig, aber nicht anstrengend.. Wie ein Glas mit intensiv duftendem Tee, in das man seine Nase steckt.
Ich werfe nur noch einen Sack Suesskartoffelpommes in den Ofen, die anbrennen, waehrend ich am Laptop moegliche Ziele fuer morgen recherchiere. Den Grossteil der Pommes kann ich dann doch noch retten. Am Laptop verschwimmt nach dem Essen wieder alles vor meinen Augen...
Tag 5, Sa. 30.08.: Wochenende! Ab in den Huddart Park!
Aufgewacht, es ist schon 5! Es liegen Handys, Laptop, Sonnenbrille und die Schale von den Pommes neben mir. Wie gemuetlich. Ich richte mich auf und eine Fotoseite fuer diesen Blog ein. Dazu ueberarbeite ich mein selbst gestricktes "Backend", mit dem ich die taeglichen Blogeintraege auf die Webseite lade. Klingt einerseits oede, aber es ist mir ein Beduerfnis - ich will nicht keine Lust haben, diesen Blog zu schreiben, weil mir die teschnischen Umstaende, die ich selbst geschaffen habe, zuwider sind.
Fruehstueck um 12 (am PC verfliegt die Zeit nunmal) und dann los - heute in den Huddart Park. Der ist gleich um die Ecke, also niedrige Hemmschwelle. Wenn der nicht gefaellt, gibts wenige Autominuten weiter noch mehr - meine Schuhe (und Fuesse) werden heute auf ihre Kilometer bzw Meilen kommen.
Das mit dem 'dann los' zerfleddert ein wenig. Die Kueche will noch aufgerauemt werden, und leider hat sich der Proviant nicht von selbst erlesen und in die Brotdose verpackt. Dann muss ich noch das Auto herunterkuehlen, denn beim ersten Versuch, einzusteigen, verbrenne ich mir die Hand am Lenkrad und den Oberschenkel am Sitz. Also Auto an, 5m vorfahren in den Schatten, Klima laufen lassen, aussteigen und 5 Minuten warten. Dann gehts, der Innenraum ist von Backofen zu Sauna degradiert.
15 Minuten spaeter sehe ich das Einfahrtschild des Huddart Parks. Am Gate des Parks unterhalte ich mich noch nett mit dem Guard, der die Parkplatzgebuehr in Hoehe von 6 Dollar einsammeln will. An seiner Huette, an der man unweigerlich mit dem Auto vorbeifahren muss, prangt in grossen Lettern "CASH ONLY". In meinem Portmonnaie sind 37,01 Euro in Cash, sonst nur Plastikkarten. Er will mir entegenkommen und fragt mich, ob ich nicht zumindest irgendwas amerikanisches dabei haette, ein Vierteldollar als symbolische Willensbekundung zum Bezahlen? Leider muss ich auch das Verneinen. Er laesst mich trotzdem weiterfahren, warnt mich aber, dass wenn ich erwischt wuerde, ich 40 Dollar Strafe zahlen muesse. Die Chance sei aber heute sehr gering, weil es sehr voll sei, er tippt auf weniger als 1%. Das Risiko gehe ich gerne ein, im fuer mich schlimmsten Falle taete ich dem Park damit sogar etwas Gutes. Auto also ohne Parkticket abgestellt und ab auf die Piste.
Ich latsche erstmal einfach den naechstbesten Pfad entlang - und bin direkt sprachlos. Wohl auch, weil man mit einem so breiten Grinsen schlecht sprechen kann. Wandern in so wunderschoenen Waeldern erreicht mich einfach. Dann gucke ich auf die Mini-Faltkarte, die mir der Guard trotz meiner Mittellosigkeit ueberreicht hat, und schmiede einen Plan. Nagut, ich habe einen Stift genommen und eine krakelige Linie nachgemalt. Die stellt meine heutige Route dar. Staendig muss ich anhalten, um zu staunen, zu geniessen, die gigantischen Redwoods emporschauen. Und auch so einiges Fotografieren. Ich koennte alle 5m ein Bild machen, aber bei ca 10km Strecke wuerde mich das dann doch etwas aufhalten. Auf der Haelfte der Strecke merke ich, dass ich doch schon recht alle bin. Eine Picknickpause moechte ich aber erst machen, wenn ich einen schoenen Aussichtspunkt finde. Und so gehe ich weiter und weiter, mache hier und da ein Bild und ein Video, manchmal bin ich auch ein kleines bisschen albern (da niemand da ist, den ich unterhalten kann, muss ich mich eben selbst unterhalten). Und ploetzlich bin ich wieder am Auto, ohne Pause. Am Auto haengt kein Strafzettel - heisst das, ich habe Glueck gehabt? Egal, jetzt kann ich ja endlich die Brotdose leermachen, die ich die ganze Zeit im Rucksack mit mir rumgeschleppt habe. Insgesamt sehe ich auf meiner 3.5 stuendigen Wanderung ca 30 Personen: 6 Paare, 3 Einzengaenger*innen, 2 groessere Gruppen. Also ca alle 20 Minuten nickt man kurz, wenns hoch kommt sagt man 'Hi'. Soviel zu "Heute ist es sehr voll".. Das gilt wohl hauptsaechlich fuer die Park- und direkt benachbarten, zahllosen Grillplaetze.
Nach der Wanderung kaufe ich noch kurz ein. Goenne mir einen Rose, finde aber kein Sprudelwasser. Um kurz nach 8 wieder zuhause. Duschen. Dann schenke ich mir ein Glaeschen ein und sitze leeren Blickes und sich leerenden Glases auf dem Sofa. Ich schwinge mich beschwipst an die Tastatur. Schwupps, ist es schon wieder 10. Ich suche mir jetzt irgendeinen Film raus und werde bestimmt nicht am Laptop einschlafen. Ganz bestimmt nicht...
Tag 6, So. 31.08.: Golden Gate
Frohgemut erwache ich. Es ist 7 Uhr. Saemtliche Geraetschaften sind neben dem Bett an Ort und Stelle verstaut, wie es sich gehoert. Na endlich!
Also dann: Befluegelt von den Erlebnissen von gestern und inspiriert von dem Ausblick an der Bruecke am Freitag morgen lautet mein Ziel heute Muir Beach. Ich lasse mir Zeit mit den Vorbereitungen und fahre um kurz vor 12 los. Besonders beim Fahren durch die Innenstadt zeigt sich, dass es doch keine so gute Idee war, die Tour am Sonntag vor dem Labour Day zu machen. Das Ueberfahren der Golden Gate Bridge ist kurz beeindruckend, wenn man die gigantischen Tragpfeiler ueber sich sieht. Dann verliert sich das Staunen aber schnell, der Verkehr ist dicht und man kann sich nicht auf die Aussicht konzentrieren. Auch an der Autobahnausfahrt zum Muir Beach wieder Stau. Ich ahne Fuerchterliches, allerdings verliert sich der Verkehr auf den folgenden Meilen, bevor es in Serpentinen ueber den letzten Bergkamm geht. Um halb 2 ist das Auto dann am Ziel geparkt - oder eher im Graben abgestellt - ansonsten war alles voll.
Aber egal, jetzt gehts ja endlich los. Kurz gesagt: Hoch und runter, hoch und runter, hoch und runter, dann macht man eine Pause beim Pirate Cove, nochmal hoch und runter, dann ist man beim Tennessee Beach. Dort mache ich eine Stunde Pause auf einem alten Bunker, der im Hang neben dem Strand eingearbeitet ist. Insgesamt gehe ich ziemlch genau so weit (12km) und genausoviele Hoehenmeter (425m) wie gestern im Huddart Park - das ist aber auch die einzige Gemeinsamkeit. Endloser Blick uebers Wasser, die ganze Zeit in der prallen Sonne, aber frischer Wind vom Pazifik, der leider auch feinen Staub vom Weg in die Luft treibt. Und dazu der Kampf zwischen Land und Meer: Steile, zerklueftete Felsen stemmen sich gegen das Wasser, hier und da eine kleine Bucht mit Strand. Das Land selbst ist eine Aneinanderreihung von Haengen, die mit Bueschen und Felsen uebersaet ist. Den gesamten Weg entlang hoert man dazu ein geheimnisvolles, mahnendes Pfeifen bis Aechzen. Der Ursprung ist nicht eine Flaschenhals aehnliche Naturfloete, wie ich erst vermute, sondern eine Boje, die von dem Wind angetrieben auf dem Meer vor sich hin droehnt.
Zum Abschluss mache ich noch einen Abstecher zum voellig ueberfuellten Muir Beach - da halte ich es aber nicht aus. Es ist kurz nach 6, und die Kalifornianer sind allesamt froehlich am Grillen, jedes Grueppchen auf ihren paar Quadratmetern Strand. Dementsprechend ist es eine Raeucherbude sondergleichen, laut und nicht die Art von Erholung, die ich gerade brauche nach 4h Wandern. Also hiefe ich das Auto aus dem Graben und fahre eine Meile und halte am wesentlich ruhigeren Muir Beach Overlook, wo ich schon wieder auf einem Bunker die Reste aus meiner Brotdose geniesse.
Um viertel nach 8 bin ich wieder zu Hause. Pommes in den Ofen, Dusche an, Pommes leicht verbrannt aus dem Ofen raus, in den Bauch hinein, Blog schreiben, gute Nacht - ist ja auch schon Mitternacht.
Tag 7, Mo. 01.09.: Labor day
Wie der Name schon sagt - Tag der Arbeit. Deshalb lege ich heute mal die geschundenen Fuesse hoch, koche mir zum Fruehstueck Milchreis und lasse es mir auf der Terrasse im Schatten gut gehen.
Im Kopf lasse ich die vergangene Woche Revue passieren. Ich bin knapp 500km Auto gefahren und etwa 30km gegangen, habe gewartet, Formulare ausgefuellt, faszinierende Einblicke in eine konzeptuell ganz anders aufgebaute Forschungseinrichtung erhalten, gestaunt, geschwitzt, genossen. Und 9 Wochen liegen noch vor mir..
Heute ist der heisseste Tag bisher, ueber 35 grad im Schatten. Das soll sich die naechsten Tage aendern, vorhergesagt sind Hoechsttemperaturen von froesteligen 26 Grad. Bei der Aussicht.. mache ich erstmal ein Nachmittagsnickerchen. Viel mehr wird wohl auch nicht mehr passieren, bis auf etwas Lesen. Sehr schoen, so ein Tag Pause.
Tag 8, Di. 02.09.: Ein Arbeitstag
Nun gut, ich habe natuerlich nicht mehr gelesen, sondern mich nochmal an den PC gesetzt und ein paar Graphiken fuer Julien erstellt. Weil sich das als komplizierter als gedacht herausstellte, bin ich erst um 1 Uhr ins Bett gefallen. Immerhin bin ich jetzt vollends in der pazifischen Zeit angekommen.
Tja, der Tag heute hat auch keinen besonders interessanten Spannungsbogen: Aufstehen, fertigmachen, arbeiten, einkaufen, kochen, ins Bett gehen. Ich bin nicht nur in der Zeit, sondern auch am SLAC angekommen. In der Mittagspause lerne ich einige Kollegen kennen (oder wurden die mir schon vorgestellt? k.A.), die gerne nach der Arbeit und am Wochenende wandern gehen - da werde ich mich wohl mal einklinken. Beim Kochen am abend habe ich mich selbst uebertroffen - drei Toepfe UND einen Salat. Und das Ergebnis hat sich nicht nur sehen lassen, es hat sogar geschmeckt! Und das obwohl der sogenannte Yoghurt Tzatziki wie Dillmajonaise schmeckt - kein Knobi, keine Gurke, nur Sauce mit viel Dill. Die spinnen, die amerikanischen Griechen.
Ansonsten fuehlt sich das Leben hier mittlerweile normal an - bis auf die Preise beim Einkaufen. Fuer den Salat wollte ich eigentlich Feta kaufen, aber knapp 10 Euro fuer 250g war es mir dann doch nicht Wert. Dafuer ist Tanken guenstig, knapp 1Euro pro Liter: das gilt in den USA schon als sehr teuer. Also wer den Geldbeutel schonen will, darf also nicht viele Kalorien, sehr wohl aber viel Sprit verbrennen?!? Ohje, mein Hirn muss schlafen. Gute Nacht!
Tag 9, Mi. 03.09.: Murmeltiertag
Eat. Work. Sleep. Repeat.
So schlimm ist es nicht. Heute morgen habe ich vor der Arbeit ein Meeting mit Julien gehabt und ihm einmal den Wahnsinn vor und bei der Einreise geschildert.
Im Buero war dann mal so gar nichts los - die eine Haelfte im Urlaub, die andere krank oder im Home Office - nur ich nicht. Dann fahre ich eben etwas frueher nach hause, um dort noch fuer die Kollegen von der TU Hamburg eine Klausur probezurechnen.
Und wieder ist ein Tag rum. Ich finde, ich muss etwas aendern - es kann nichtsein, dass ich Tag fuer Tag nur im Buero herumhocke. Morgen ist endlich der Besuch im Beschleunigertunnel angesetzt - wird auch Zeit. Und am Abend komme ich hoffentlich mal wieder etwas raus, ich will mich endlich wieder bewegen..
Tag 10, Do. 04.09.: Tag der Touren
6:45 - der Wecker klingelt. Ich krieche aus dem Schlafanzug in meine Schlabberklamotten und an den kleinen Kuechentisch, um mich in das Videomeeting mit der Uni einzuwaehlen. Um 9 Uhr sind wir beide - das Meeting und ich - durch. Hastig spachtel ich mir mein Muesli zwischen die Kauleisten und vergese beinahe etwas halbwegs Buerotaugliches anzuziehen, bevor ich zum SLAC duese. Dort angekommen, fahren Andy, Jorge, Sonya und ich direkt los zum Beschleuniger.
"Der Beschleuniger" ist einfach gesagt, in Wirklichkeit ist es etwas komplizierter. Aehnlich wie beim XFEL gibt es einen ca 3km langen Tunnel, in dem aber 3 verschiedene Beschleuniger verbaut sind - und das auch noch falsch herum: Beim XFEL in Bahrenfeld beginnt der Beschleuniger auf dem DESY-Gelaende, die Experimente sind dann fernab im vertraeumten Schenefeld. Beim SLAC beginnt der Beschleunigertunnel in der Pampa, um dann mitten auf dem SLAC-Gelaende zu enden, und die Experimente finden am Rande des SLAC Gelaendes statt. Zusaetzlich zum Tunnel gibt es hier aber oberirdisch auch eine "Gallery", eine kilometerlange Halle voller Geraete, die beim XFEL alle mit in den Tunnel gequetscht wurden.
Dabei ist der fuer mich interessante Beschleuniger natuerlich der am weitesten von unserem Gebaeude entferte. Was fuer mich erstmal von Vorteil ist - wir fahren einige Minuten entlang der Gallery. Ein sehr eindrucksvolles Szenario: Eine endlose Halle, die aussieht wie eine simples Lager, umwachsen von Palmen und tropischen Bauemen und Straeuchern, vor dem malerischen Hintergrund der mit Redwoods bewachsenen Santa Cruz Mountains.
Im Beschleunigertunnel angekommen, sehen wir uns allerlei Geraetschaften an, die ich zum Wohle der Lesbarkeit hier nicht naeher erlaeutere. Verrueckt ist der schier unbegrenzte Platz und die Groesse der Bauteile in der Gallery - die vier Schraenke, vor denen ich hocke, muessten beim XFEL in einen halben Schrank passen, mehr Platz haben wir nicht. Waehrend wir wieder zurueck zu unserem Gebaeude fahren, fragt Andy, ob wir morgen Abend gemeinsam mit ein paar Kollegen ausgehen wollen. Der Vorschlag trifft auf allgemeine Zustimmung - sehr schoen, so lerne ich hoffentlich ein paar mehr Leute etwas besser kennen.
Nach der Tour klemme ich mich wieder hinter die Bildschirme und verliere jegliches Zeitgefuehl. Um halb 8 komme ich zu Hause in der Wohnung an, draussen wird es dunkel. Mist - soviel zum nochmal rauskommen. Ich hau mir erstmal ein paar Pfannen in die Eier. Nach dem Essen gucke ich ein paar Minuten verdrossen in den klaren, vom Mond erhellten Abendhimmel.
Dann springe ich ohne lange zu ueberlegen ins Auto, suche mir die verschlungenste Strasse in die Santa Cruz Mointains heraus und stehe eine Uebelkeit erregende Stunde spaeter am Pazifik. Und sehe dank Wolken gar nichts. Die Bergkette haelt also die vom Pazifik kommenden Wolken an der Kueste, im wenige kilometer entfernten Silicon Valley kommt von der Feuchtigkeit kaum etwas an. Die Handykamera laesst ihre Magie walten, mittels Langzeitbelichtung erkenne ich, dass ich eine Klippe herabschaue. Eine Viertelstunde spaeter bretter ich durch enge Kurven und tiefschwarze Finsternis wieder in Richtung zu Hause. Unterwegs entdecke ich einen Aussichtspunkt, von dem aus ich das naechtliche Silicon Valley vor mir liegen sehe. Eine weitere halbe Stunde spaeter vollbringe ich erschoepft aber beglueckt die letzte 90 Grad Drehung des Tages, vom Senkrechten ins Waagerechte.
Tag 11, Fr. 05.09.: Going Out!
Kein Meeting vor der Arbeit. In aller Ruhe fruehstuecken. Sehr angenehm. Der Himmel ist dicht bewoelkt, es sind 18 Grad - so laesst es sich gut aushalten. Auf dem Weg zur Arbeit nehme ich statt der Autobahn mal wieder die Nebenstrassen. Erneut bin ich verzaubert vom Blick auf die Berge, die sich neben und vor mir aufhaeufeln.
Der Arbeitstag verlaeuft gar nicht mal unspektakulaer: Nach stundenlangem konfigurieren diverser Softwarepakete finde ich zum ersten mal in meinem Leben einen Fehler im verilog-Firmwarequellcode. Oder Anders gesagt - zum ersten Mal bin ich der Grund fuer die Behebung und nicht das Auftreten eines solchen Fehlers. "Spaektakulaer" liegt offenkundig im Auge des Betrachters.
Nach der Arbeit fahre ich meinen Rennwagen nach Hause. Wieder staune ich versonnen in die wolkenverhangenen Berge. Zu Hause werfe ich nur kurz den Rucksack in die Wohnung, dann kommt schon Andy und sammelt mich ein. Der Plan ist, dass ich spaeter ein Uber zurueck nehme, so kann ich etwas trinken. Am Ziel angekommen stellen wir fest, dass das "Gourmet Haus" gerade in den Vorbereitungen fuer das Oktoberfest ist - das aber erst morgen starten soll. Wir sitzen also zwischen Bauzaeunen auf Bierbaenken und sabbeln uns die Muender fusselig.
Irgendwie schaffen es Andy, Sonya, Jorge und seine Partnerin, Sebastian, Ernesto und seine Partnerin und ich, uns auf eine Uhrzeit und einen Treffpunkt am Sonntag fuer eine Wanderung durch den Purisima Creek zu einigen. Sebastian erzahlt mir, dass er ausserdem ganz viel Campingausruestung hat, die er so gerne mal wieder benutzen wuerde - wir machen zwar noch nichts konkretes aus, aber eine lose Idee entsteht. Jorge will am ersten Oktoberwochenende in den Yosemite National Park, und ich bin herzlich eingeladen. Und Andy war die letzten Monate nicht ein einziges mal Surfen, obwohl er in Pacifica am perfekten Spot dafuer wohnt und einiges an Ausruestung dafuer hat- die Wellen waren wohl mau, jetzt geht es aber wohl endlich wieder los. Jorge und ich haben uns schon angemeldet, wir werden sofort eingeladen, wenn es losgehen kann.
Der Abend vergeht wie im Flug. Irgendjemand hat meine Rechnug gezahlt, und als ich mir mein Uber ordern will, winkt Jorge lachend ab und faehrt mich rum. Was fuer eine coole Truppe. Morgen werde ich leider einkaufen und waschen muessen. Aber das haelt mich hoffentlich nicht davon ab, den Roadtrip von gestern Abend zu wiederholen. Dieses mal aber bei Tageslicht.
Tag 12, Sa. 06.09.: Maintenance
... aber da sind doch auch glutenfreie Fischstaebchen, warum hast du die denn nicht genommen? Ich wundere mich. Wo sollen die gewesen sein? Ich wache auf, Deja vu: das Licht ist an, der Laptop surrt neben mir sein einsames Lied. Etwas sticht in meiner Brust. Es ist der Bommel von meinem Kapuzenpullover, den ich nicht mehr ausgezogen habe, bevor ich mich aufs Bett fallen lassen habe.
Wach bin ich, 6 Uhr morgens. Was tun ausser Fruehstuecken? Ich bin kurz davor, in meine unverzichtbare Blechkutsche zu steigen, um einen fruehmorgendlichen Spaziergang ueber den Russian Ridge anzugehen, doch etwas haelt mich auf. Eine Anekdote von Andy gestern abend laesst mich einen Blick auf die Wetterapp werfen, und tatsaechlich: bis mittags wolkenverhangen, ab dann klart es schoen auf. Dann also spaeter.
Ich lasse mich aufs Sofa zurueckplumpsen und schreibe eine Einkaufsliste. Nachdem ich mich vergewissert habe, dass die Laeden auch geoeffnet haben, fahre ich dann los - um kurz vor 8 stehe ich im Target. Und dann wird geshoppt was die Regale hergeben. Erbarmungslos pfluege ich durch die Gaenge, es gibt kein Halten mehr. Nicht mal vor den Umkleidekabinen weiche ich aus, es werden Klamotten probegetragen und sogar fuer gut befunden. Rucksack: Nehm ich. Zahnbuerste: Eingepackt. Waschmittel: Immer her damit. Pfaster: Wer braucht die nicht? Schwaemme: Schmeiss mich voll!
Mit einem Einkaufswagen voller toller und anderer Dinge verlasse ich um 9 Uhr den Superdupermarkt und fahre zu Costco, der amerkianischen Version von Metro. Dort darf ich zwar kein Geld ausgeben, aber ich hole mir welches ab: Vom Geldautomaten. Der will mich ein bisschen verschaukeln - voreingestellt ist die Abbuchung vom Girokonto, das kostet 7 Dollar Automatengebuehr, und natuerlich soll ich bitte den Betrag in Euro bestaetigen, was schelmische 13% Aufschlag auf den Wechselkurs kostet. 60$ sollen dann 67Euro kosten - nein danke. Ich wische mich durch verschiedene Menus und finde nach einigen Minuten die Option per "Credit" abzuheben. Ich bestaetige den Betrag nicht in Euro, sehe also nicht wie viel mich der Spass dann wirklich kostet, aber erhalte meine 3 wabbeligen 20$ Scheine. Die App auf dem Handy bimmelt: 51,60Euro. In meinem Kopf singt Gerd Schroeder "Und schon wieder 10 Euro gespart".
Ich cruise in meinem schwarzen Schlitten zurueck nach Hause und mache mich ueber meine Waesche her. Mit dem nagelneuen Waschmittel und miefenden Klamotten bewaffnet bedrohe ich die Waschmaschine, die sich aber nicht einschuechtern laesst. Meinen Hessnatur Lieblingspulli, den ich gestern kunstvoll mit Fettspritzern verziert habe, wasche ich von Hand, waehrend die Maschine vor sich hinroedelt. Dann mache ich noch die Kueche sauber.
Jetzt, wo alles blitzt und blinkt, kann ich ja endlich was zu Mittag kochen. Nebenan wummert inzwischen der Trockner mit einem Berg Waesche im Bauch. Mein Traum von heute morgen hat mich inspiriert: Ich paniere Flunderfilets und schnippel Salat. Vorfreude aufs Essen kommt auf. Das ich mal so eigenstaendig sein wuerde...
Nach dem Festmahl treffe ich im Garten auf Carolyn. Aehnlich wie ich zuvor schnippelt nun auch sie, allerdings keinen Salat sondern an einer Palme herum. Ich kann nicht laenger hinterm Berg halten und gestehe ihr meine Gefuehle: 839 Bayview Way ist in den vergangenen zwei (2!!!) Wochen wie mein zu Hause geworden. Sie ist sichtlich geruehrt und bietet mir aus Verlegenheit eine reife Feige an, die von der leichten Brise durch unser Sichtfeld geschaukelt wird. Ich gerate in ausholendes Schwaermen, auch von den Pflaumen, die sie und Hugo mir vor einer Woche geschenkt haben. Um mich zu stoppen, bietet sie mir an, mir auch noch ein paar der juengst geernten Birnen vor die Tuer zu stellen. Ich erlange langsam wieder die Kontrolle ueber meine Ausdrucksweise zurueck, bedanke mich freudigst und mache mich dann aus dem Staub in die Berge - Russian Ridge, ich komme!
Um kurz nach 3 stehe ich durchgeschuettelt am Fusse des Trails. Diese Serpentinen haben meinem frisch gefuellten Bauch ganz schoen zu schaffen gemacht. Ich gehe drei mal von meinem Hybridvehikel los, um nach wenigen hundert Fuessen (so misst man hier Strecken) wieder umzukehren. Erst habe ich vergessen, mich einzucremen, dann habe ich meinen Schal und Pulli nicht dabei, und zuletzt genehmige ich mir noch meine Schirmmuetze (ohne Hochklappdings). Mein Ziel ist nicht weit, nur 15 Minuten Fussweg. Ich erreiche den Borel Hill um halb 4 und kann meinen Augen kaum trauen: unendliche Weite, in immerhin zwei der vier mir bekannten Himmelsrichtungen. Nach Westen von dichtem Wald bedeckte Huegel, und am Horizont schimmert der Pazifik. Nach Osten das genaue Gegenteil: Das Silicon Valley liegt wie ein Brettspiel vor mir, dahinter die Bucht von San Franciso, am Horizont die Diablo Range mit dem hervorstechenden Mount Diablo.
Damit habe ich mein Ziel des Tages erreicht, und der Tag ist noch lange nicht vorbei. Also gehe ich ein paar hundert Fuesse weiter und suche mir einen gemuetlichen, von der Sonne durchgewaermten Stein, auf dem ich es mir bequem mache. Ich befreie mein Tablet, auf dem ich das eine oder andere Buch papierlos mit mir herumtrage, und beginne endlich zu lesen. Ab und an hebe ich fuer ein Minuetchen den Blick und geniesse die Aussicht. Um 6 wird mir langsam kalt, der Wind brist auf und die Sonne wird merklich schwaecher. Ich gehe zurueck zum Parkplatz und entchliesse mich dazu, nochmal zum Wasser zu fahren.
Um kurz nach 7 komme ich auf einem Parkplatz am Highway 1 an und gehe wenige hundert Fuesse, dann stehe ich schon mitten am Strand - zwar mitnichten alleine, aber voll ist es auch nicht - es sind genausoviele Leute am Strand wie Surfer im Wasser, die die verbleibenden 30 Minuten bis zum Sonnenuntergang eine Welle nach der anderen reiten. Es kitzelt mich in den Fingerspitzen, ich will am liebsten direkt mit raus. Das wird dann heute aber doch nichts mehr, ich habe ja auch noch 'ein paar Tage' Zeit.
Um halb 9 kehre ich zurueck zur Wohnung. Der Vollmond scheint hell auf eine dicke Eule, die auf dem Strommast vor dem Haus sitzt und mich an-schuhu-t. Ich nasche noch ein paar Reste vom Essen heute mittag und murmel mich ins Bett - voll Vorfreude auf die Wanderung morgen.
Tag 13, So. 07.09.: Purisima Creek Trail
Wie nicht anders von mir zu erwarten, schlage ich um exakt 8:30 am vereinbaerten Treffpunkt, dem Safeway Parkplatz in Half Moon Bay, auf. 5 vertraute Gesichter grinsen mich munter an. Wir steigen allesamt in Andys Familienkutsche und starten um Punkt neun Uhr unsere Wanderung. Alles ist anders als auf meinen bisherigen Touren: Ich bin nicht alleine unterwegs, es ist vormittag, es ist angenehm kuehl, und vortwaehrend ist das Plaetschern des Purisima Creeks zu hoeren. Gegen Ende der Tour - bevor der kurzweilige Abstieg beginnt - koennen wir dann auch noch einen Blick durch das Tal auf den Ozean werfen.
Bis kurz vor Ende hat niemand auch nur einen Gedanken daran verschwendet, auch nur ein einziges Foto zu machen - deswegen machen wir noch kurzerhand ein Gruppenselfie. Um kurz nach 12 ist der Zauber schon vorbei, wir verabschieden uns auf dem Safeway Parkplatz. Wir sind uns aber einig: Die naechste Tour geht zu den Pinnacles. Ich bin noch immer etwas benommen von den vielen Gespraechen und damit verbundenen Eindruecken. Es war eine ganz andere Erfahrung, die Umgebung und viele Details (wie die Banana-slug, Bananen-Nacktschnecke) kommen mir erst jetzt langsam wieder in Erinnerung.
Verdutzt von der Tatsache, dass es erst Mittag ist, kann ich mich nicht dazu durchringen, schon nach Hause zu fahren. Ich tingel an der Kueste in Richtung Norden und parke am Suedende der Devil Slide. Ich gehe den alten, zum Fuss- und Radweg umfunktionierten Highwayabschnitt einige hundert Meter entlang, bis ich eine Bank finde. Dort esse ich mein in weiser Voraussicht eingepacktes Mittagessen und lese wieder ein paar Stunden, bis mir beinahe die Augen zufallen. Gegen 3 brennen die innenseiten meiner Unterarme wie Feuer - die habe ich wohl schlecht eingecremt. Also mache ich mich auf, gehe zurueck zum Auto und fahre nun doch zurueck in den Bayview Way.
Dort angekommen dusche ich erstmal und verfalle wieder dem Reiz meines Buches, bis mich ein leichtes Huengerchen ueberkommt. Mit schweren Beinen schleppe ich mich zum Herd und verlaengere das Essen von gestern, mit dem ich es mir dann noch eine Weile draussen in der Abenddaemmerung gemuetlich mache.
Tag 14, Mo. 08.09.: Kontroll(raum)wahn
Tag 15, Di. 09.09.: Besuch aus Berkeley
Tag 16, Mi. 10.09.: Tueftel tueftel..
RWT und Marble setup
Tag 19, Sa. 13.09.: Edgewood Park und Berkeley
Hoch die Haende, Wochenende! Morgens im Bett suche ich nach kleinen Sehenswuerdigkeiten im unmittelbaren Umkreis, denn am Nachmittag soll es ja nach Berkeley gehen. Ich finde tatsaechlich ein paar schoene Plaetzchen, die ich mir gerne mal angucken wuerde. Der groesste Witz ist - ich bin schon einige male daran vorbeigefahren, und habe sie nie bemerkt. Mein auserkorenes Ziel ist der Pulgas Water Temple.
Dort angekommen, begruessen mich zwei energisch dreinblickende Schilder: Das erste verkuendet zusammen mit dem grossen, schmiedeeisernen Tor "CLOSED, opens Mon-Fri 9am - 5pm", das zweite "NO parking at any time". Na danke, dann also weiter - wenige 100m weiter gibt es ja noch die Fioli gardens. Nachdem ich dort das Auto auf einem gigantischen Parkplatz, der schon zu 3/4 gefuellt ist, abgestellt habe, gehe ich in Richtung des Sandweges, der in den Wald hineinfuehrt. Bevor der Weg anfaengt, muss man durch ein kleines Tor, und direkt daneben faellt mir jetzt erst die kleine Kassierhuette auf. Nagut, dann kostet es eben Eintritt - ich habe zwar nur noch ca 3h Zeit, aber egal, so teuer wird es nicht sein, das will ich mir jetzt ansehen! Denkste: der Spass soll 35 Dollar kosten - hmnioeoe. Das will ich dann auch auskosten, da komme ich lieber wieder, wenn ich etwas mehr Zeit im Gepaeck habe.
Also fahre ich grummelnd wieder zurueck nach Hause. Bevor ich dort ankomme, entschliesse ich mich doch dazu, dem Edgewood Park noch einen Besuch abzustatten. Ich gehe zum hoechsten Punkt und setze mich in meinen Klappstuhl. Lesend verbringe ich so 2.5h, bevor ich dann doch nach Hause fahre und noch schnell die Bude mittels Pfanne in einen Knoblauchhimmel verwandle.
Um 4 holen mich Jorge und San ab. Wir fahren durch San Francisco nach Berkeley, wo wir um halb 6 Gianluca, einen ehemaligen Arbeitskollegen vom DESY, und seine Frau in einem Lokal treffen. Der Abend vergeht wie im Flug, das Lokal schmeisst uns um 10 Uhr raus. Also tingeln wir noch etwas weiter und finden eine gemuetliche Bar, aus der wir um Mitternacht herausschlurfen. Um kurz nach 1 setzen mich Jorge und San wieder bei mir ab. Beim Einschlafen grueble ich noch darueber nach, ob der "Hard Combucha", von dem ich in der Bar zwei Humpen zu mir genommen habe, vielleicht doch Alkohol enhalten hat...
Tag 20, So. 14.09.: Mission Peak
Gnadenlos haemmert der Wecker durch die friedliche Stille. Ich wurme ich durchs Bett und schaffe es irgendwie, mich aufzurichten. 7 Uhr ist fuer einen Sonntag einfach gemein. Ich suche etwas essbares, finde Joghurt, Reis, Blaubeeren und Apfelmus und weiss kurz nicht, wie ich diese Dinge zu einem Fruehstuck und einem Mittagssnack kombinieren kann. Ploetzlich ist es 7:35 Uhr, hektisch werfe ich Dinge in meinen Rucksack und fahre in Richtung der Adresse in Sunnyvale, die Jorge mir um 2 Uhr nachts noch geschickt hat.
Um viertel nach 8 komme ich dort an, wo das Navi meint, die genannte Adresse verorten zu sollen. Ich stehe am Rande eines Wohnkomplexes, in dem etwa 12 Gebaeude a 30 Wohneinheiten finden. Sieht irgendwie nobel aus, irgendwie aber auch viel zu eng alles. Voellig orientierungslos rufe ich Jorge an, der zaehneputzend in den Hoerer lacht und verspricht, mich zu finden. 5 Minuten spaeter steigt er grinsend zu mir ins Auto und wir fahren durch Sunnyvale und Miltipas zum Mission Peak Trail Head.
Um Punkt 9 Uhr parken wir das Auto auf einem absoluten Premiumparkplatz direkt am Anfang des Trails. Der wolkenlose, klare Himmel liefert uns der aufsteigenden Sonne gnadenlos aus, also gehen wir direkt los, um moeglichst vor der prallen Mittagssonne wieder zurueck zu sein. Ins Gespraech ueber unsere sportlichen Leidenschaften und Leidenswege vertieft marschieren wir ohne Pause - bis auf die 2 Minuten, in denen ich mich schnell mit Sonnencreme einschmiere - bis wir um halb 11 den Peak erreichen. Weil wir beim bergaufgehen durchgaengig in Richtung Berg gesehen haben, plaettet mich der ueberwaeltigende Blick ueber die Bucht doch sehr. Wir futtern etwas Proviant und geniessen die Aussicht, und machen natuerlich ein paar Fotos. Unbeschreiblich, vor allem der Kontrast zwischen der dicht besiedelten Bay Area und dann oestloch dem total unebruehrten, von der Sonne vergoldeten Huegelland. Das alles erinnert mich an Roys Peak, einer Bergspitze, die sich vor ca 7 Jahren auf der Suedinsel Neuseelands erst vor und dann unter mir befand.
Zureuck gehen wir einen anderen Weg, der dummerweise wesentlich steiler ist als der Hinweg - meiner Meinung nach die anstrengedere Variante. Um halb 1 kommen wir am Auto an, das dank praller Sonne und raffiniert gewaelhter Lackierung wiedermal einen Backofen mimt. Jorges Knie macht nach eigener Aussage ueberhaupt keine Probleme, das ist doch sehr erleichternd - sowohl fuer ihn als auch fuer mich, sonst haette mich mein Gewissen geplagt.
Um kurz nach 1 betreten wir Jorges und Sans Wohnung, und ich begutachte die beiden Fahrraeder, die seit Jahren nicht mehr bewegt wurden. Beides richtig tolle Geraete, nicht im entferntesten das, was ich erwartet habe. Beim naeheren untersuchen stellt sich Jorges Rad dann doch als Kruecke heraus - die Felge total zerditscht, dass man nicht mehr bremsen kann, und das Tretlager existert praktisch nicht mehr. Voellig schmerzbefreit uberlaesst mir San ihr Trek Carbonrad. CARBONRAD! Rahmen, Gabel, Lenker - Carbon, Carbon, Carbon. Selbst das Sattelrohr ist aus Carbon.. Dazu 105er Schaltgarnitur mit Ultegra Umwerfer. Ich falle aus allen Wolken, Jorge und San vestehen die Welt nicht mehr - fuer die beiden ist das einfach nur ein Fahrrad. Ich bekomme zum Fahrrad noch Jorges Helm und eine Kiste mit Ersatzschlauechen, Bremskloetzen und allerlei Krimskrams. Ich merke, dass die beiden ueberhaupt keine Ahnung von Fahrraedern haben. Egal, ich freu mich einen glutenfreien Keks und fahre in tiefster Dankbar- und Glueckseeligkeit los in Richtung Redwood City, wo ich schon wieder einkaufen gehe und danach endlich zu Hause ankomme.
Ich mache mich direkt ueber das Rad her. Es werden Bremsen eingestellt, Lagerspiele korrigiert, Ketten geoelt und Lenker und Sattel auf meine exorbitanten Koerpermasse eingestellt. Danach drehe ich eine klitzekleine Runde um den Block und bin einfach nur happy.
Freudestrahlend steige ich unter die Dusche - und erleide Hoellenqualen, als das lauwarme Wasser meinen feuerroten Hals entlanglaeuft.. Ich wusste doch, dass ich beim Eincremen etwas vergessen hatte.
Das Problem an der Dusche ist, dass man beim Aussteigen aus ebendieser direkt vor dem Bett steht. Allerdings steht man dort dementsprechend nicht lange, sondern man liegt wie von Zauberhand befohlen ploetzlich darauf. Bei mir persoenlich greift dann ein weiterer Reflex, der einen Laptop auf meinen Bauch platziert. Und so fange ich aus heiterem Himmel an, an dem Firmwareprojekt weiterzutuefteln, das ich eigentlich unter der Woche am SLAC bearbeite..
Tag 21, Mo. 15.09.: Endlich wieder radeln...
Leicht zermartert wuehle ich mich aus den Federn. Wegen meiner gestrigen Arbeitswut fuehle ich mich ganz ausgezeichnet, waehrend ich um kurz vor 9 den Herd anwerfe und mir Mini-Ruehreier mache. Wie die kleinen Scheibchen mich so verfuehrerisch anblubbern, zwickt mich eine Erinnerung an den Spontaneinkauf von gestern - ich habe ja Bacon! Also wird die Arbeitslast der Pfanne kurzum erweitert, genauso wie mein Appetit.
Um viertel vor 10 wende ich mich endlich dem Fahrrad zu, das Treu hinter dem Tresen in der Kueche auf mich gewartet hat. Wiedermal schleudere ich das gute Stueck beinahe an die Decke, obwohl ich es doch nur ein paar Zentimeter anheben will. Weiterhin verwirrend, so ein Carbonrad. Die Fahrt selbst vergeht wie im Flug. Breit grinsend und voller Freude lasse ich mich die 200 Hoehenmeter herabrollen, bevor ich mich kurz vor Ende meiner Fahrt dem Anstieg mit 60 Hoehenmetern widme.
Insgsamt 7 Meilen und 30 Minuten spaeter stehe ich am Eingang vom SLAC und erklaere dem Sicherheitspersonal, dass meine Zutrittskarte in meinem Auto ist, ich aber dummerweise jenes Auto vergessen habe, mitzubringen. Mit meinem Schweiss als Beweis und meinem Perso als Druckmittel laesst er mich passieren. Dann begebe ich mich zum Empfang des Visitor centers und tropfe den edlen Steinboden voll, waehrend mir eine temporaere Zutrittskarte ausgestellt wird - ohne komme ich nicht in mein Buero. Um kurz vor 11 komme ich dort endlich an. Etwas spaet, aber immerhin bin ich gut abgeschwitzt.
Um viertel vor 5 huepfe ich in meinen Fahrradklamotten wieder auf das Carbongeschoss und fahre zurueck - diesmal oestlich der 280 durch die Wohngebiete. Die ersten 5 Meilen gehen wunderbar, es geht leicht bergauf, nichts wildes, abgesehen von meinem Fahrstil. Dann tuermt sich der mir eigentlich so vertraute Farm Hill vor mir auf, und ich wechsle in immer kleinere Gaenge. Nach 10 Minuten im Schneckentempo bergauf bei 35 Grad im Schatten und bis zu 11% Steigung (durchschnittliche Steigung: 5%) wummert die Pumpe in meinen Ohren, dass mir schwindleig wird. Ich mag es gar nicht zugeben - ich steige ab und schiebe 100m. Gar nicht mal weil es an genau der Stelle so steil ist, sondern weil ich das steilste Stueck gerade hinter mich gebracht habe. Die restlichen Meter bringe ich wieder auf Raedern hinter mich, um 5:20 Uhr habe ich die 3km Strecke mit 150 Hoehenmeter des Farm Hills geschafft und oeffne die Haustuer.
Zur Beruhigung und gegen einen Kreislaufkollaps gehe ich 10 Minuten lang in meiner Wohnung auf und ab und beisse ungesteuert in alles moeglich Obst, das sich nicht schnell genug vor mir verstecken kann. Dann verkruemel ich mich in die Dusche und beginne, mich zu entspannen. Frisch geduscht versinke ich seufzend im Bett und nehme mir diesen Blog hier zur Brust: Ich habe eine Woche lang keinen einzigen Eintrag geschrieben - das wird jetzt endlich nachgeholt.
-----------------------
Das Wochenende habe ich jetzt hinter mir - sogar in zweierlei Hinsicht. Ein Blick auf die Uhr (halb 8) laesst mich aufstehen und die Kueche aufrauemen, damit ich noch etwas gekocht bekomme. Grossen Hunger habe ich zwar nicht, aber der kommt wohl noch.
Um viertel nach 10 blitzt und blinkt die Kueche und der Ofen hat gerade einen Auflauf fuer mich fertig gebacken. Hunger? Fehlanzeige, ich bin echt fertig von der Radelei. War wohl doch etwas viel mit der Hitze und der Steigung heute, der Wanderung gestern und der kurzen Nacht davor. Also mache ich mir noch einen Entspannungstee, der mir die letzte Spannung aus dem Koerper saugt und mich jetzt endgueltig in die Nacht transportiert. Schlaaaaaafen <3
Tag 22, Di. 16.09.: Platt
Den Wecker habe ich gestern in weiser Voraussicht noch ausgestellt. So heben sich langsam meine schweren Lieder. Wie in Trance blicke ich aufs Handy, es ist schon 9 Uhr. Ich richte mich auf, nur mein Kreislauf bleibt noch etwas liegen. Ich schuettele mich - irgendwas stimmt nicht. Ich fange an, mich fuers Buero fertig zu machen, doch nach der Hose muss ich mir eingestehen, dass das so nichts wird. Ich schreibe Jorge und Andy eine SMS und lasse mich aufs Bett zurueckplumpsen.
Dass mich das Geradel so aus der Bahn werfen wuerde, haette ich mir im kuehnsten Traum nicht vorstellen koennen. Ich leere die Wasserflasche, die auf dem Nachtschrank steht und verfalle kraftlos einem tiefen Schlummer.
Nachmittags um kurz nach zwei weckt mich mein Magen. Logisch, sagt mein Kopf, aber beim versuch, mich aufzurichten will mein Kreislauf immernoch nicht so wirklich. Ich kredenze mir ein paar Scheiben Brot, Weintrauben und eine Tasse Tee, mit denen ich wieder in der Matraze versinke.
Um sechs wiederholt sich das Spiel, diesmal mache ich mich ueber den Auflauf her, der im Ofen eingesperrt auf mich gewartet hat. Koestlich! In einem Anflug ploetzlichen Enthusiasmus mache ich mir einen frischen Salat, den ich direkt nach seiner Fertigstellung dann aber in seiner Schale verweilen lasse, weil ich mich schon wieder hinlegen muss.
Ca. Stuendlich geht es so weiter, bis ich um 11 Uhr doch etwas Salat gefuttert habe und das Blech mit dem Auflauf nur noch zu 2/3 gefuellt ist. Oh mannomann, was fuer kein Tag. Mal hoffen, dass sich das bis morgen bessert..
Tag 23, Mi. 17.09.: Platt 2
Am morgen geht es mir erst gut, bis ich mich aufrichte - gleiches Spiel wie gestern, es will verflixt noch mal nicht besser werden. Ratlos telefoniere ich mit Papa.
Den Rest des Tages verbringe ich mit Haferbrei und Tee teils im Bett, teils auf dem Sofa, ich lese viel. Am Abend geht es mir deutlich besser, ich hege Hoffnung, morgen wieder zum SLAC fahren zu koennen. Mal sehen, Hauptsache, ich bekomme bei der fuerchterlich warmen Nacht genug Schlaf..
Tag 24, Do. 18.09.: Bueroversuch
Es geht mir so naja. Ich will aber mal wieder rauskommen, mache mich also langsam fertig und komme um halb 10 im Buero an. Jorge, Andy und Sonya erkundigen sich nach mir, ich behellige sie ob meiner Kreislaufverirrungen.
So spaet wie der Tag begann, so spaet endet er auch. Angedacht war, frueh wieder nach hause zu fahren, aber darin bin ich einfach schlecht. In der Wohnung angekommen mache ich mir erstmal etwas zu essen warm. Der Tag war ganz schoen anstrengend, obwohl ich nur gesessen habe.
So richtig wohl ist mir beim Einschlafen dann wieder nicht. Ich werde morgen auf jeden Fall zum Arzt gehen, so macht das keinen Spass.
Tag 25, Fr. 19.09.: Platt 3 - Zeit fuer Urgent Care
Beim Aufwachen fuehle ich mich elendig. Kraftlosigkeit, stechen im Magen und brennen auf der Brust. Dazu Kreislauf.. Owei owei. Ein Kollege vom SLAC sagt mir am Telefon, alles was dringend, aber nicht lebensbedrohlich ist, wird von Urgent Care oder Walk-in Clinics behandelt.
Also schlage ich um 8:15 in einer solchen Urgent Care Clinic auf und lasse mich Untersuchen. Die Anmeldung und das Entleeren meiner Kreditkarte dauert schonmal 20 Minuten (allein fuer die Grunduntersuchung direkt 250 Dollar), danach geht es aber zum Glueck recht schnell. Einmal Blutsauerstoffgehalt, Puls und Blutdruck gemessen. Puls und Blutdruck sind recht hoch, ich bin aber auch ziemlich aufgeregt. Wird wohl okay sein - habe morgens nach dem Aufstehen selber Puls gexaehlt, der war deutlich niedriger. Dann spreche ich mit der Aerztin, die macht dann ein EKG - alles top. Ihre Vermutung ist zu viel Magensaeure und Verspannung in der Muskulatur im und um den Brustkorb herum. Deswegen empfiehlt sie mir Magensaeureblocker und Paracetamol zum Entspannen, und ich soll Atem- und Lockerungsuebungen machen.
Etwas beruhigt gehe ich einkaufen. So richtig erloest bin ich aber nicht - schliesslich geht es mir noch nicht besser. Ein Blutbild waere eigentlich auch angebracht, aber das machen sie bei der Urgent Care nicht, weil die Ergebnisse einige Tage brauchen. Wenn man also Blutwerte haben moechte, ist es wohl nicht eilig (urgent) genug?!?
Wieder zu Hause mache ich Atemuebungen, etwas Yoga, nehme Saeureblocker und begiesse mich mit Kamillentee. Weil ich nochmal raus will, fahre ich endlich zum Purgas Water Temple, vor dessen verschlossenen Toren ich ja vergangenen Sonnabend (Tag 19) entaeuscht abdrehen musste. Vom Parkplatz geht man etwa 50m, dann steht man auf einer absurd gruenen Wiese mit fettem Gras und einem mitten in die karge Landschaft geplumpsten Mini-Tempel vor einem Pool, eingefasst in eine Allee von Zypressen. Was das soll? Keine Ahnung. Aber ich kann hier schoen fuer ein Stuendchen etwas lesen.
Zu Hause mache ich nochmal etwas Yoga, das entspannt und lenkt ein bisschen ab. Ausserdem mache ich alles nur im Liegen, das ist auch sehr angenehem. Der Tag klingt wesentlich gelassener aus als er angefangen hat. Beim Einschlafen ist mir wieder dann aber doch wieder leicht unwohl. Ohmann...
Tag 26, Sa. 20.09.: Ausfahrt
Es rummst. Besser gesagt es poltert. Ueber mir scheint ein Elefant Jive zu tanzen. Waehrend ich aufwache, erinnere ich mich daran, dass mir Hugo, der Vermieter, gesagt hatte, dass seine Tochter zu Besuch kommen wollte. Also die Frau hat mal funktionstuechtige Hacken, und die haut sie auch kraeftig ins Parkett.
Nunja, egal, ich springe erstmal schnell auf Klo. Dann gehe ich in die Kueche und mache mir einen Tee. Als ich mich wieder in Richtung Bett bewege, faellt mir auf, dass mir gar nicht schwindelig gewesen ist. Das Brennen auf der Brust ist auch weg.. Verdutzt setze ich mich hin. Darauf habe ich zwar gehofft, aber damit gerechnet habe ich nicht.
Ich keochel mir wieder meinen Porridge und mache ein auflockerndes Morgen-Yoga - irgendwie gefaellt mir das. Auserdem bin ich wahnsinnig verspannt in den Schultern, und die Dehnuebungen sind zwar erst intensiv, dann aber sehr angenehm.
Weil ich gestern mit der ganzen Arztgeschichte wieder Kontakt mit zu Hause zu Hause aufgenommen habe, telefoniere ich mit Eve, meiner Tante. Es ist ein sehr angenehmes und erfreuliches Telefonat, schliesslich habe ich gute Neuigkeiten. Genauso wie auch Papa raet sie mir, mich aber zu schonen und lieber langsam und mit leichten Aktivitaeten anzufangen - klar, denke und sage ich, liegt ja auf der Hand. Rueckblickend gesehen habe ich den Tag ueber dann doch eine ganze Menge auf mich genommen.
Um 11 Uhr fahre ich nach Half Moon Bay - dort habe ich auf Craigslist (sowas wie eBay Kleinanzeigen) naemlich eine erschwingliche Gitarre gefunden. Und was macht man als gluecklicher Schlagzeuger mit seiner Gitarre? Nein, kein Lagerfeuer, sondern einen Mini-Roadtrip an der Kueste entlang nach Santa Cruz. Unterwegs mache ich zahllose Stopps an Standzugaengen, um die verschiedensten Eindruecke von der Kueste einzusammeln. Zweimal nehme ich auch die Gitarre mit und sitze jeweils ein halbes Stuendchen auf einem Stein und klampfe, bis die Finger weinen. Ansonsten bestaune ich die wilde Mischung jeglicher Surfvarianten, denen an den vielen Straenden parallel gefroent wird: rechts flitzen die Kitesurfer, mittig die Windsurfer, und links, dichter an den Felsen, lungern die Wellenreiter herum und warten auf das perfekte Wave set.
Um halb 7 komme ich in Santa Cruz an. Irgendwie sind mir das viel zu viele Menschen. Ich ueberlege, ob ich noch etwas bleibe, um mir den Sonnenuntergang um zehn nach 7 anzugucken, aber ich werde muede und fahre doch direkt zurueck in Richtung Redwood City. Dort komme ich dank Stau unterwegs um halb 9 an. Ich fuehle mich ausgelaugt, aber gluecklich. Was fuer ein Tag - das ich das schaffe, haette ich gestern nicht fuer moeglich gehalten. Mal hoffen, dass ich mich nicht direkt ueberfordert habe...
Tag 27, So. 21.09.: Ausruhen
Aufgewacht, der Herd wartet! Ich stehe auf, koche mir mein Fruehstueck und das Mittagessen. Warum denn Mittagessen, koennte man fragen, ich aber weiss es schon: Ich will frueh los, ich bin auf den Geschmack der Kueste gekommen und habe mir gestern beim Einschlafen vorgenommen, zum/zur/zu/nach (?) Big Sur zu fahren - eine angeblich ganz besonders faszinierende Kustenlinie. Wobei ich ehrlich sagen muss, die gestrige Strecke von Half Moon Bay nach Santa Cruz passt nach meinen bisherigen Erlebissen in die gleiche Kategorie. Allerdings trennen mich von Big Sur ganze 120 Meilen, also knapp 200km - das sind hier ca 3h Autofahrt..
Einiges an Kartoffelschaelen und Gemueseschnippeln spaeter blubbern die Toepfe froehlich vor sich hin, waehrend ich der Dusche einen Besuch abstatte. Leicht panisch strecke ich dann und wann meinen Kopf aus der Duschtuer, um zu pruefen, ob die Kartoffeln noch friedlich baden oder brodelnd den Herd unter Wasser setzen. Nein, tun sie nicht, dafuer habe ich im Endeffekt mit meinen triefend nassen Haaren das Schlafzimmer geflutet. Clever!
Seltsam - irgendwie ist es gar nicht mehr so frueh? Ich hab doch nach dem Fruehstucken, Kochen und Duschen nur noch kurz meinen Klappstuhl modifiziert, damit das olle Ding etwas gemuetlicher wird.. Und es ist schon kurz nach 10?!? Ich beschliesse, heute keine 6h alleine fuer die An- und Abfahrt im Auto verbringen zu wollen. Big Sur, sei nicht traurig, ich komme ein andermal vorbei. Heute geht es dafuer wieder nach Half Moon Bay, genauer gesagt wenige Meilen suedlich davon - ich habe auf der Karte einen abgelegenen Strand gesucht, der auch etwas Schatten bietet, und in der Naehe des Cowell-Purisima Trails einen solchen entdeckt.
Um 11 komme ich dort an und spiele Packesel: Rucksack, Gitarre, Klappstuhl, Handtuch, Jacke. Voll beladen gehe ich die 500m Schotterweg bis zur Steilkueste. Dort stelle ich nach einem weiteren Kilometer Fussmarsches und genauerem Inspizieren der Karte fest, dass es gar keinen Strandzugang gibt.. na toll. Ich gehe noch etwas weiter, in der Hoffnung, wenigstens ein Plaetzchen mit schoener Aussicht zu finden - und tatsaechlich, ich habe Glueck. Direkt an der Abbruchkante, leider auf schwarzer Erde, aber mit unendlichem Blick auf den Ozenan und erstaunlich windstill. Die Sonne scheint heute nicht am Meer - eine endlose, undurchsichtiges Wolkendecke liegt ueber der Kueste bis hin zu den Santa Cruz Mountains, laesst aber die Waerme der Sonne angenehm durchstrahlen. Ich klappe den Klappstuhl vom zusammengeklappten in den ausgeklappten Zustand. Das hat schonmal geklappt.
Dann folgen 7h entspannendster Unaufgeregtheit, die ich stehend, auf dem Handtuch liegend und sitzend; lesend, schlummernd, Blick und Gedanken schweifen lassend, Gitarre spielend und telefonierend verbringe. Mit meinem stetigen Wandel aendert sich auch das Wetter: von bewoelkt zu sehr stark bewoelkt, dass ich mir meine warme Hose und die Jacke ueberziehen muss und die Sonnenbrille absetze, dann reisst es ploetzlich fuer einige Minuten auf, nur um dann noch dichter zu werden. Abends um halb 7 ist es dann durch und durch vernebelt, und mir wird dann doch zu kalt. Ich belade mich wieder und schlendere zurueck zum Parkplatz.
Unterwegs kommt mir ein froehlicher, aber alter Opa entgegen, der mich angrinst und nuschelt "A walking minnester!". Ich gucke ich freundlich, aber verwirrt an und lasse ihn noch dreimal wiederholen, bis er auf den Gitarrekoffer auf meinem Ruecken tippt und ich ihn endlich verstehe. Was nicht nur an seinem Sprachfehler liegt, den er mir erklaert, sondern hauptsaechlich daran, dass ich Minister anstatt Minnesaenger verstehe, und das englische Wort fuer Minnesaenger erst in genau diesem Moment erlerne. Einen kurzen Plausch spaeter gehe ich weiter und bin auch ein bisschen erleichtert, das Gespraech hinter mir zu haben, denn der Mann hat so viel Alkohol ausgeatmet, dass ich mir etwas unsicher ob meiner Fahrtuechtigkeit bin.
Kaum am Parkplatz angekommen, rutscht mir dann direkt das Herz in die Hose: Womoeglich ist die Fahrtuechtigkeit gehopst wie gesprungen.. Ich bin der letzte auf dem Parkplatz, das Tor zur Strasse ist geschlossen und mit einem Stahlschloss gesichert. Waehrend ich wie in Trance meine Sachen im Kofferraum verstaue, gehe ich in meinem Kopf meine Moeglichkeiten durch: Im Auto schlafen? Nein, ich brauche was zum Abendessen. Ein Taxi rufen, das mich nach Hause faehrt, morgen mit dem Taxi wieder hierher um das Auto zu holen? Oh mann.. Oder einen Arbeitskollegen anrufen, der in Half Moon Bay wohnt - vielleicht kann ich sogar bei ihm schlafen?
Gruebelnd gehe ich zum Tor und lese das Schild, was daneben steht: Parking hours 8am to 5pm. Violators will be prosecuted. Na toll, also darf ich auch noch zusatzlich mit einer Geldstrafe rechnen?! So was dummes! Alle anderen Strandparkplaetze, die ich soweit benutzt habe, waren von Sonnenauf- bis Untergang offen. Voellig gefrustet gehe ich zum Auto und suche nach einem Ticket. Und tatsaechlich, ein Zettel klemmt unterm Scheibenwischer.
Als ich naeher komme, stelle ich aber fest, dass es eher ein Brief als ein Ticket ist. Was fuer eine Erloesung: Der Ranger, der das Tor geschlossen hat, erklaert mir in dem Schreiben, dass das Tor nur zum Schein verschlossen ist. Das Stahlschloss sei nur zur Show, daneben dafuer ein Karabiner eingehaengt, den ich oeffnen, durch das Tor herausfahren und danach das Tor und den Karabiner wieder schliessen soll. Lustig - eben stand ich doch 1m vor dem Tor und habe das Schild gelesen, der Karabiner ist mir dabei ueberhaupt nicht aufgefallen. Das einzige, was ich wahrgenommen habe, war das dicke Vorhaegeschloss in einer Stahlschlaufe - genau, in EINER Schlaufe. Von Strafe findet sich auf dem Zettelchen uebrigens kein Wort - doppelt und dreifach gluecklich brause ich meinem Abendessen und meinem Bett entgegen.
Unterwegs kann ich nicht anders als ein paar mal anzuhalten, um das wunderschoene Licht zu geniessen. Fuer den Sonnenuntergang halte ich noch kurz an - die Wolken haben sich fuer einen Moment lang aufgeloest. Was fuer ein berauschender Abschluss fuer eine so durchwachsene Woche. Ich bin uebergluecklich, dass ich endlich wieder nach und nach immer fester im Sattel sitze. Hier richte ich das Wort mal kurz an die Leserschaft: Mit den meisten von euch (glaube ich zumindest) habe ich ja auch direkten (Schreib-)Kontakt: Danke, dass ihr fuer mich da seid. Und fuer alle Lesenden gilt: auch wenn ihr nicht hier seid, ist es fuer mich sehr schoen, euch trotzdem irgendwie dabei zu wissen.
Tag 28, Mo. 22.09.: Shake it out!
Der Wecker klingelt, ich bin wohlauf. Der unangenehm selbstverstaendliche Blick aufs Handy offenbart, weshalb ich heute Nacht einmal aufgewacht bin: um 2:56 Uhr hat ein Erdbeben der Staerke 4.3 die Menschen in der gesamten Gegend rund um die Bucht aus den Federn geschuettelt. Mich leider nicht - ich habe nur verwirrt gegrunzt und mich direkt wieder umgedreht. Ich bin etwas traurig, dass ich das verpennt habe.. Vielleicht habe ich ja Glueck und es kommt noch eins?
Dann gehts auf ins Abenteuer - der Buerodschungel will zureckerobert werden. Ich muss aber feststellen, dass niemand auch nur irgendwie von dem Erdbeben beruehrt zu sein scheint - Business as ususal, alles ganz normal wie immer. Ich vergesse im Laufe des Tages sogar zu fragen, ob der Beschleuniger irgendwie beeinflusst wurde - in dem internen Logbuch konnte ich zumindest nichts dergleichen finden.
Zu hause werde ich von Lucy begruesst, die sich wieder eine kleine Kraulenheit bei mir abholt und mich im Gegenzug mit einem Berg an Hundewolle ueberhaeuft. Nach dem Enthaaren koche ich ausgelassen eine vegane und (hoffentlich) magenschonende Gemuesepfanne und schummle (weil ich mich ein bisschen wild fuehle) etwas Wildreis in den zahmen Basmati. Ploetzlich stelle ich fest, dass Kochen fuer mich zur Selbstverstaendlichkeit geworden ist, und ich habe auch echt Spass dabei. Das Spielen mit der zementierenden Maisstaerke und der staubigen Gemuesbruehe, das Testen der unzaehligen Zwiebelschnitttechniken und das Wuerzen der tristen Aubergine - es ist wie Lego mit der Bonusdimension Geschmack.
Da ich das erste Buch, das ich mitgenommen (Die Saeulen der Erde, Ken Follet, 1070 Seiten) und letzte Woche weggeatmet habe, habe ich mir die Fortsetzung (Die Pfeiler der Macht) auch noch als eBook besorgt. Weil ich aber bis 8 noch Krach machen darf, widme ich mich nach dem Essen erstmal der Gitarre. Meine Finger sind vom Wochenende noch ganz wund, erstaunlicherweise vor allem die rechte Hand. Dafuer hat mir Jorge aber ein Plektrum mitgebracht, und so klimpere ich hinter meinem vollgefutterten Bauch in den Abend hinein, bevor ich mich auf digitalem Papier in ein mittelalterliches englisches Kloster stuerze.
Und so neigt sich der erste Tag meiner (ich kann es kaum glauben!!!) fuenften Woche dem Ende zu..
Tag 29, Di. 23.09.: Muedigkeit schuetzt vor Dummheit nicht
Weil ich mich nicht beherrschen konnte, habe ich heute Nacht bis um 4 am PC gesessen. Ehrlich gesagt: gehangen, denn die letzte Stunde war ich hauptsaechlich damit beschaeftigt, die Augen offen zu halten. Warum ich das getan habe? Weiss der Geier.
Zum Ausgleich habe ich dann bis 9 Uhr geschlafen - nicht ausgeschlafen, aber immerhin 5 Stunden Augen zu. Nachdem ich gefruehstueckt und schon Mittagessen zum Mitnehmen gekocht habe, setze ich mich ins Auto, um zum SLAC zu fahren. Waehrend ich rueckwarts von meine Parkplatz-Huegel fahre, sehe ich in der Rueckfahrkamera, dass mir meine Muetze aus dem Kofferaum auf den Boden gefallen ist. Ich trete auf die Bremse. Denke mir dann: Ich fahre einfach ueber die Muetze und hebe sie dann vor dem Auto auf. In diesem Moment der Abgelenktheit fahre ich weiter zurueck und gucke nur nach vorne, in freudiger Erwartung des erquickenden Anblicks einer auf dem Boden liegenden Muetze. Leider kommt es nicht so weit. Statt der erhofften Freude reisst mich ein unschoenes Kratzen aus dem Tagtraum: Ich habe mit der Stossstange den gemauerten Torpfosten des Nachbarn geknutscht. Oder gestreichelt. Wie auch immer - ich habe ein einzigartiges Ornament aus Furchen und Kratzern in die Stossstange gezaubert. Weil ein wahrer Kuenstler zu seinem Werk steht und es voller Stolz praesentiert, rufe ich den Vermieter des Fahrzeugs an und berichte von meiner Meisterleistung. Die Dame am anderen Ende der Leitung ist voellig unbeeindruckt von meiner Schilderung. Sie bleibt auesserst freundlich und will von mir wissen, ob das Auto denn so noch fahrbar sei. Ich bejahe, und sie erweitert ihre Frage auf das Angebot, mir dennoch einen neuen, unbeschaedigten Wagen bereitstellen zu koennen. Ich lehne dankend ab - diese Kratzer habe ich unter Aufbringung meiner hoechsten Kompetenzen in das Auto gemeisselt! Das gebe ich doch nicht freiwillig vor Ende meiner Mietzeit wieder her?!?
Der Rest des Tages verlaueft anders als gewohnt: Ich nehme mir vor, um halb 5 das Buero zu verlassen, und verlasse um halb 5 das Buero. Zu hause angekommen, setze ich mich noch eine Weile in die Sonne und schlummere etwas, bevor mir gegen 7 zu kalt wird und ich mich nach drinnen verkruemel. Der Schlafmangel macht sich bemerkbar, sodass ich schon um kurz vor 11 die Kontrolle ueber meine Augenlieder verliere...
Tag 30, Mi. 24.09.: Radeln zum Zweiten
Morgens um 8: Meeting mit Julien, ausgelassene Stimmung. Ich berichte, dass es mir wieder besser geht, und wir verlieren uns in ein paar Beschleunigerdetails. Zum Ende erwaehne ich kurze mein Ungeschick mit dem Auto gestern. Er lacht und kontert mit einer Anekdote aus seiner Jugendzeit, in der er mit 3 Freunden in Afrika eine besondere Erfahrung mit einer Werkstatt nach einem Reifenplatzer auf der Autobahn in einem Mietwagen hatte.
Danach mache ich mich aufs Rad - es ist kuehl heute, maximal 25 Grad und bewoelkt. Unterwegs dann der absolute Hammer - es regnet! In Kalifornien! Im September! (vor)mittags um 11! Um den Wahnsinn perfekt zu machen, gucken mich hinter einer Kurve ploetzlich zwei Lamas an. Weil mir nichts besseres einfaellt, gucke ich zurueck.
Den fruehen Nachmittag verbringe ich wie die letzten Tage wieder mit Simulationen. Endlich gelingt es mir, die Geschwindigkeit dreier verschiedener Prozessorvarianten auszuwerten. Meine Vermutung und innige Hoffnung bestaetig sich: die Variante, die am SLAC bereits verwendet wird, benoetigt zwar am wenigsten Ressourcen, ist aber auch am wenigsten performant. Die von mir vorgeschlagene Varianten sind beide schneller, die eine doppelt, die andere 10 mal so schnell. Sie benoetigen dabei zwar mehr Ressourcen, die sind aber auf den vorhandenen Geraeten nahezu im Ueberfluss vorhanden, also ist das kein Hindernis. Fuer mich heisst das: meine bisherigen Anstrengungen haben sich gelohnt - jetzt muss ich die Ansaetze ausarbeiten und hoffentlich schnell finalisieren.
Nach diesen erfreulichen Ergebnissen gehe ich um 4 wieder in den Beschleuniger-Kontrollraum. Heute endet eine dreitaegige Betriebsunterbrechung zwecks Reparaturen im Beschleunigertunnel, und die Anlage wird wieder hochgefahren. Gluecklicherweise geht dabei eine Menge schief, sodass ich mit vielen neuen Eindruecken und Erfahrungen erst um 20:30 wieder zureuck in mein Buero abziehe.
Mittlerweile ist es zappenduster draussen. Ich klemme mir das Rad zwischen die Beine und radle wieder nach Hause. Diesmal allerdings die Route westlich des Highways, die zwar durchgaengig bergauf geht, aber dafuer am Ende wesentlich weniger steil. Strahlend vor Glueck komme ich in der Wohnung an und fuehle mich richtig gut. Ich werfe mich schnell hinter den Laptop, schreibe jetzt gerade diese Zeilen und verabschiede mich aus dem heute. Bis morgen!
Tag 31, Do. 25.09.: Backe Backe Bananenbrot
Heute, bei strahlendem Sonnenschein, entscheide ich mich lieber wieder fuers Auto. Abends, auf dem Weg nach Hause, mache ich noch einen Schlenker zum Einkaufen und mich danach daran, endlich ein Bananenbrot zu backen. Optisch gelingt es wunderbar, nur leider ist es geschmacklich verwirrend. Mangels Messbecher und Waage habe ich alle Mengenangaben grob verschaetzt. Naja, nachstes mal weniger Backpulver und weniger Oel, vielleicht doch etwas mehr Zucker..
Tag 32, Fr. 26.09.: Im Tunnel
Obwohl ich mich am Mittwoch ja schon wieder fit genug zum radeln gefuehlt habe, geht es mir heute doch wieder nicht so gut. Mein Plan war eigentlich, wieder mit dem Rad zu fahren, aber danach ist mir so gar nicht. Ich nehme mir vor, einen kurzen Tag zu machen und nachmittags noch an ein ruhiges Plaetzchen im Wald zu fahren, um mich dort zu entspannen.
Um 21 Uhr kann ich mich endlich vom PC losreissen. Wie im Tunnel habe ich versucht, mein selbst gestecktes Ziel der Woche zu erreichen - letzten Endes ohne Erfolg. Von wegen kurzer Tag und im Wald entspannen.. Grummelnd brummel ich zurueck zur Wohnung.
Tag 33, Sa. 27.09.: Big Sur
Weil ich mich immernoch nicht wirklich fit fuehle, fahre ich erst recht spaet los in Richtung Big Sur, 200km suedlich von San Francisco. Eigentlich wollte ich vor 8 Uhr los, aber ich starte erst um 9. Um halb 12 passiere ich Carmel-by-the-Sea, und eine zerklueftete, faszinierende Kuestenlandschaft entfaltet sich vor mir. Big Sur ist eigentlich ein Wanderparadies, aber ich bleibe im Umkreis von wenigen 100m vom Auto - weiter komme ich nicht, ohne mich leer und ausgelaugt zu fuehlen.
Den ersten schoenen Platz finde ich an einer unscheinbaren Haltebucht, von dem ein Wanderweg abgeht, direkt in Richtung des ca 150m entfernten Pazifiks. Am Ende dieses Weges stehe ich dann nicht an einer Steilkueste, eher an einem geschliffenen Hang aus verschiedenen Gesteinen, der steil zum Wasser hinabfuehrt. Es erinnert mich an die gemuetliche Ecke beim Pigeon Point, wo ich zum ersten mal auf der Gitarre geklimpert habe. Nach ca 15 Minuten wird mir kalt und ich gehe zureuck zum Parkplatz, wo ich auf Hank treffe, einem baertigen Mitt-Sechziger aus Long Beach, der wissen moechte, ob man unten am Wasser gut spazieren kann. Ich muss ihn zwar in der Hinsicht enttaeuschen, aber wir schnacken eine Weile lang ueber Kalifornien, Teilchenbeschleuniger und die Magie und gleichzeitige Trivialitaet von Materie, Physik und dem Ort, an dem wir stehen.
Nach einer weiteren Autostunde finde ich endlich wieder ein >einsames< Plaetzchen mit atembraubender Aussicht, an dem ich meinen Klappstuhl aufbaue, mir warme Klamotten anziehe und einfach nur aus der gemuetlichen Waesche gucke. Anfangs ist es Sonnig, etwas windig, und klar. Nach einer Stunde rauscht eine Wolkenwand ueber das Wasser genau auf mich zu - und durch mich hindurch. Der Spuk haelt etwa 15 Minuten an, ich kann kaum weiter als 30m sehen, dann ist er genauso ploetzlich vorbei, die Sonne kommt wieder heraus und ich bleibe noch ein Stuendchen sitzen.
Dann ist auch schon Sonnenuntergangszeit. Ich fahre bis zum suedlichen Ende des Highway 1 - ein 10km langer Abschnitt ist naemlich aktuell gesperrt wegen eines abgerutschten Hangs. An diesem suedlichen Punkt bestaune ich den roten, sich langsam verdunkelnden Himmel, sehe aber nicht den Sonnenuntergang selbst, es ist wieder zu wolkig geworden. Alles was mir dann noch bleibt, ist in der einsetzenden Dunkelheit wieder nach Redwood City zu fahren. Kurz vor Carmel erinnere ich mich an den Monestary Beach, den ich auf dem Hinweg im Vorbeifahren gesehen habe. Dort mache ich es mir noch eine halbe Stunde lang im Dunkel der Nacht gemuetlich, mit dem Rauschen der Wellen in den Ohren und dem Blick auf die Stadt Carmel am anderen Ende der Bucht.
Tag 34, So. 28.09.: Pause
Der Plan fuer heute ist das genaue Gegenteil von gestern, abgesehen von der Kilometerzahl: Ich will nach Bodega Bay, und unterwegs die Kueste noerdlich von San Francisco entlangfahren. Ich komme aber nicht in die Puschen, und entscheide mich schweren Herzens, besser einen Ruhetag einzulegen. Die Autofahrt gestern war anstrengeder als gehofft, und so setze ich mich auf die Terrasse, lese und koche ganz in Ruhe.
Tag 35, Mo. 29.09.: Wald office
Ein ganz normaler Arbeitstag steht mir bevor. Ich fuehle mich aber wieder kraftlos. Ich entscheide mich, nicht zum SLAC zu fahren, sondern - als Ausgleich fuer den viel zu langen Freitag - mich auf wenige Stunden am PC zu beschraenken. Ich beginne den Tag mit ausgedehntem Abhaengen im Bett und gemuetlichem Fruehstueck. Gegen Mittag ueberlege ich, ob ich wieder zum Water temple fahre, oder zu einem beeindrukenden Redwood-Tree, der mir bei der Fahrt durch den Wald vom Russian Ridge zum Pazifik an Tag 12 aufgefallen und seitdem nicht mehr aus dem Kopf gegangen ist.
Nachdem ich das Mittagessen fertig eingepackt habe, entschliesse ich mich fuer die Option Wald. Die Fahrt ist zwar mit knapp 30 Minuten etwa 3 mal so lang, aber ich will endlich diesen Baum bewundern. Als ich die Stelle endlich gedunden habe, kralle ich mir wieder die Gitarre, den Laptop und mein Essen und setze mich auf die Bank direkt vor dem hoelzernen Giganten. Einfach nur faszinierend. Seit Jahrzehnten steht der Kollege (wenn nicht seit Jahrhunderten) hier. Um ihn herum wuseln die Menschen und Tiere. Stuerme zerren an ihm, die Sonne sengt ihm die Krone, freche Kaefer krabbeln ihm ueber die schroffe Rinde.
Die Stunden vergehen wie im Flug, ich wechelse zwischen Staunen, in mich gehen, klampfen, mampfen und tippen. Ich bin zwar gewissermassen notgedrungen hier - am liebsten wuerde ich mich verausgaben, bin aber nicht fit - und dennoch geniesse ich jede Sekunde an diesem ruhigen Ort, ueber mir rascheln die Baueme, unter mir duftet der weiche Waldboden, neben mir rauscht ein kleines Baechlein. Die 100m Fussweg durch den mittlerweile stockfinsteren Wald zum Auto sind erschreckend anstrengend. Ich bin unsicher und traurig - mein Koerper will einfach nicht wieder zu Kraeften kommen. Es gibt zwar genug wunderschoene Orte, die man ohne koerperliche Anstrengung erreichen und geniessen kann, aber wohl fuehlen kann ich mich irgendwie nicht mit mir.
Als ich im Bayview Way ankomme, ist der Himmel sternenklar. Beim Aussteigen wird mir schwindelig, und ich lehne einen Moment lang mit Blick in den Himmel am Auto. Gerade als ich mich unmdrehen und den Rucksack aus dem Kofferraum holen will, sehe ich aus dem Augenwinkel etwas am Himmel erleuchten: Eine Sternschnuppe zieht sich wie in Zeitlupe im grossen Bogen und rot leuchtend ueber das Tal. Sie holt mich fuer eine kurze Zeit aus meinen Gedanken heraus. Dankbar, aber schon wieder gruebelnd gehe ich nach drinnen.
Tag 36, Di. 30.09.: Besuch in Berkeley
Jorge faehrt mit mir nach Berkeley zum LBNL, Lawrence Berkeley National Laboratory, einem weiteren Forschungsinstitut oestlich von San Francisco. In Berkeley muessen wir wie beim SLAC eine Sicherheitskontrolle passieren. Da ich eine offizielle Einladung habe und Jorge wegen seiner regelmaessigen Besuche sogar einen LBNL Ausweis hat, koennen wir problemlos einfahren. Mir wird jedoch langsam klar, dass der offene Campus vom DESY wirklich etwas besonderes und schuetzenswertes ist - der Charakter der Amerikanischen Institute mit dem Stacheldrahtzaun und den Warterhaeuschen ist wirklich abschreckend. Das Gelaende vom LBNL ist in einen Hang gebaut, oberhalb der Berkeley Universitaet. Parkplaetze sind absolute Mangelware, so kurven Jorge und ich eine geschlagene halbe Stunde herum, bis wir endlich einen gefunden haben.
Wir liefern bei Jorges Kollegen einige Computerchips ab und ich berichte von meinen Fortschritten. Ausserdem duerfen wir das BELLA-T Laser Labor besichtigen, ein weltweit fuehrendes Experiment fuer die Entwicklung neuartiger Laser-Plasma Beschleuniger. Die Fuehrung ist aeusserst interessant, aber fuer mich wieder sehr kraeftezehrend. Danach haben wir noch zwei Meetings. Zuletzt testen wir die mitgebrachten Chips und endecken einige Probleme - ich fuehle mich wieder wie in meinem Zimmer: alles steht chaotisch voll mit technischem Geraet, fliegende Verkableung quer durch den Raum, staendig wird gewechselt zwischen ein paar Befehlen am PC, Kabel umstecken und Messgeraete bedienen.
Auf dem Rueckweck stecken wir dann im Stau auf der Bay Bridge fest. Das Navi empfiehlt eine staufreie Route durch die Innenstadt von San Francisco. 5 Minuten spaeter stehen wir dann im Stau in der Innenstadt von San Francisco. Fuer Jorge eine Qual, fuer mich eine schoene Gelegenheit, mir das geschaeftige Treiben anzusehen.
Tag 37, Mi. 01.10.: Zurueck im Buero
Ein normaler Buerotag ohne besondere Vorkommnisse, waere da nicht... mein Unwohlsein. Abends fuehle ich mich so schlecht, dass ich ueberlege, ins Krankenhaus zu fahren. Ganz dazu durchringen kann ich mich doch nicht, also lege ich mich hin und waelze mich im Bett, bis ich irgendwann einschlafe.
Tag 38, Do. 02.10.: Emergency Room
Beim Aufwachen wird dann klar - so geht es nicht. Ich lasse mich am Telefon von Papa ueberzeugen, dass ich meine Scheu ablegen und meinen Vermieter um Hilfe bitten muss. Noch waehrend ich Hugo von meinem Befinden berichte, greift er nach seiner Jacke und sagt, er faehrt mich ins Krankenhaus, wenn ich das moechte. Kurz darauf liege ich in der Notaufnahme auf einem Bett und es werden Bluttests und andere Untersuchungen gemacht.
Nach 4 Stunden sind dann alle Ergebnisse da - ohne Befund. Das ist auf der einen Seite beruhigend, auf der anderen aber auch ernuechternd. So weiss ich immernoch nicht, was seit mittlerweile zwei einhalb Wochen mit mir los ist. Mir bleibt also erstmal nichts als viel zu trinken und Bettruhe - an die ich mich bislang ehrlicherweise nicht gehalten habe.
Wieder in der Wohnung angekommen, lege ich mich also hin, und verschlafe den Rest des Tages.
Tag 39, Fr. 03.10.: Halbzeit!?!
Ich wache auf und fuehle mich gar nicht mal schlecht. Immerhin habe ich in den vergangenen 18 Stunden 14 Stunden geschlafen, das war wohl noetig. An einen Arbeitstag denke ich nichtmal, ich bleibe ganz in Ruhe im Bett liegen und hole die letzten 10 Tage Blogschreiben nach. Ich will den Fehler von vor zwei Wochen nicht wiederholen und zu frueh mit Action starten.
Stattdessen mache ich es mir gemuetlich und beginne zu geniessen, dass ich den Campingausflug in den Yosemite-Nationalpark mit meinen Arbeitskollegen abgesagt habe. So bleibt mir das Wochenende ganz fuer mich und meine Erholung. Ich lese mich ueber den Nachmittag in ein Fachbuch fuer manuelle Medizin mit ausfuehrlichen Anleitungen zur Selbsttherapie bei Verspannungen ein. Fuer einen kleinen Tapetenwechsel setze ich mich 5 Minuten ins Auto und fahre an das Wasserreservoir an der Can~ada Road, wo ich mal wieder einen Sonnenuntergang - zumindes das Verschwinden der Sonne hinter der Bergkette - beobachte.
Wieder in der Wohnung teste ich ein paar der Uebungen. Nachdem ich mir dann noch einen Mietwagen fuer die Zeit nach der Konferenz in Virginia gebucht habe (da fliege ich naechsten Sonnabend ja schon hin :o), schlawenzel ich mich ins Bett und blaettere noch etwas in meinem digitalen Roman. Wenn ich mich schon zwinge, mich zu entspannen, dann kann ich es ja auch geniessen, finde ich, und ich finde auch Gefallen daran. Zwar zwickt und drueckt es nach wie vor im Brustkorb, aber ich bin nicht mehr beunruhigt darueber. Das gibt mir Hoffnung. Mal sehen, was der Tag morgen so bringt...
Mir faellt dabei auf, dass ich mit Tag 39 ja gerade die Halbzeit meiner Reise ueberschritten habe - an Tag 76 trete ich den Rueckflug an. Wahnsinn - schon Halbzeit! Andererseits auch erst Halbzeit: was ich alles schon sehen, fuehlen, kennen lernen und erleben durfte.. Also, auf die zweite Haelfte! Auf dass ich weniger Gedanken und Zeit mit Aerzten verbringe und genug Erholung in meinen Alltag einbaue! Zur Klarstellung: Ich habe nichts gegen Aerzte. Zumindest (noch) nichts effektives... ;)
Tag 40, Sa. 04.10.: Relaxing
Um 9 Uhr habe ich mich mit Maximian, einem anderen Doktoranden vom DESY, auf Zoom verabredet. Er plant gerade seinen 6-woechigen Besuch am SLAC und erhofft sich ein paar Tipps von mir.
Nach dem morgendlichen Plausch bleibe ich noch ein bisschen auf der Terasse in der Sonne sitzen und verliere das Zeitgefuehl. Irgendwann gehe ich rein und turne auf zwei uebereinander gelegten Handtuechern herum, verbiege mich auf unmenschliche Art und Weise bis ich kaum noch weiss, wo oben und wo unten ist. Dann Lese ich noch ein wenig und merke dann, dass es schon 4 Uhr nachmittags ist. Ich fahre kurz Einkaufen - mir ist das Gemuese ausgegangen, ausserdem will ich mir noch Faszienwerkzeug besorgen. Beim Einkaufen achte ich mittlerweile darauf, dass ich nicht zu viel besorge - es sind ja nur noch 6 Tage zum verwerten.
Mit Dingen wie Paprikanten, Laeuchen mit und ohne Knob und Tennisbaellen bestueckt komme ich wieder in der Wohnung an und motze ein paar Reste aus dem Kuehlschrank auf. Dann rolle ich mit zusammengebissenen Zaehnen ueber die Tennisbaelle. Heidewitzka Kapitaen - mir schiessen fast die Traenen in die Augen.
Da die Sonne mitterweile untergegangen ist, bleibe ich zu hause und wechsle zwischen Bett, Sofa und Yoga-Doppelhandtuch hin und her. So endet dann ein Tag, an dem ich mich gleichermassen geschont, gelockert und gequaelt habe.
Tag 41, So. 05.10.: Schnarch
Guten Morgen! Sagt mein Kopf, und die Augen blinzeln verwirrt durchs Zimmer. Normalerweise scheint die Sonne morgens durch die Jalousien, aber heute morgen ist das Licht ungewoehnlich indirekt. Ich richte mich auf. Irgendwie ist es auch ganz schoen warm. Der Blick auf die Uhr verraet auch weshalb: Es ist halb 2 nachmittags. Nagut, da hab ich also wieder mal nachdruecklich die Federn beansprucht.
Weil ich mich gut fuehle, werfe ich mich voller Inbrunst unter die Dusche und danach wieder auf die Tennisbaelle. Gestern war das schlimmer.. Ich schuettele mich und baue mir eine Dose Proviant zusammen, dann setze ich mich ins Auto und fahre nochmal zum Pigeon Point, wo ich vor zwei Wochen zum ersten mal auf der Gitarre gespielt habe.
Am Pigeon Point angekommen, stelle ich erleichtert fest, dass ich mir die Stelle merken konnte und ich wieder der einzige Mensch dort bin. Im Gegensatz zum letzten mal ist es heute allerdings bewoelkt, aber ich habe ja lange Klamotten dabei und mummle mich im Windschatten der zerkluefteten Sandsteine auf meinem Klapptstuhl ein. Nach einigen Minuten vertraeumten Seufzens ueber die malerische Aussicht kitzelt mich erst ein kleiner Sonnenstrahl, dann zwei, und noch waehrend sich ein breites Laecheln ueber mein Gesicht ausbreitet, ergiesst sich die Sonne ueber mir und waermt mich kraeftig durch. Die naechsten Stunden rauschen vorbei, wie die Wolken, die sich immer mal wieder vor die Sonne schieben. Ich geniesse die Zeit, lesend, klimpernd, traeumend.
Um 5 ist die Sonne dann komplett verschwunden und laesst sich bis halb 7 auch nicht wieder sehen. Dann aber leuchtet sie vom Horizont zwischen dem Wasser und der dichten Wolkendecke hindurch und laesst mich erroeten. Es ist atemberaubend schoen. Als ich mich umsehe, entecke ich hinter mir dicht ueber den Huegeln den Mond. Dann drehe ich mich unglaeubig im Kreis: Egal wo ich hinsehe, sehe ich ein Gemaelde. Unter mir der geschliffene Sandstein, vor mir erst die rauschende Brandung, dahinter der grenzenlose Ozean, dann der gluehende Sonnenuntergang. Zu meiner linken der Leuchtturm, beschuetzt von schroffen Steinen und in Nebelschwaden gebadet, umkaempft vom brausenden Wasser. Hinter mir der Mond, der nach und nach immer klarer am sich verdunkelnden Himmel erstrahlt. Rechts von mir die rauhe, zerfurchte Kueste, von der sich vereinzelt Vogelschwaerme verschiedenster Arten und Umfaenge loesen.
Nach dem Sonnenuntergang sammle ich beseelt meine Sachen zusammen und fahre wie in Trance durch die nebligen Berge zurueck. Es war ein kurzer, entspannter, aber eindrucksvoller Tag, der das Wochenende perfekt gemacht hat.
Tag 42, Mo. 06.10.: Backe Backe Vollmond
Kaum hat der Tag begonnen, da ist er auch schon wieder vorbei. Die Zeit rast. Abends um 7 werden mal wieder Berge von Gemuese zu Bergen von Gemuesestueckchen zerschnippelt, die sich danach auf einem gemuetlichen Bett aus vorgekochtem Reis und Kartoffeln in einer Auflaufform auftuermen und mit einer improvisierten Sauce begossen werden. Die Hoffnung ist, dass das monstroese Ergebnis mich die nachsten 2 Tage ernaehren kann.
Waehrend der Backofen mit dem Auflauf im Bauch zur Hoechstform auflaeuft, quirle ich 4 reichlich schrumpleige und wabbelige Bananen mit Maisstaerke und Ei zu meiner zweiten Version von Bananenbrot. Als der Teig endlich fertig ist (mangels Besen oder Mixer mache ich alles mit der Gabel) ist der Auflauf fertig, und er wird kurzerhand gegen die kleine Kastenform mit der glibbrigen Bananenmasse ausgetauscht.
Waehrend der Auflauf abkuehlt, widme ich mich dem Chaos in der Kueche, das sich mal wieder voellig ohne mein bewusstes Zutun wie von Geisterhand ausgebreitet hat. Waehrend ich danach endlich den Auflauf esse, betoert mich ein vefuehrerischer Duft von Banane und Zimt.
Um 11 schicke ich den durchgegluehten Ofen dann endlich in den wohlverdienten Feierabend. Die ganze Bude riecht nach Bananenbrot. Ich kann nicht schlafen, draussen knallt der Vollmond gnadenlos ueber das wolkenlose Tal. Also lese ich, bis mir um 3 Uhr dann endlich die Augen zufallen.
Tag 43, Di. 07.10.: Sonne Mond und Aussicht
Der Tag beginnt etwas verpennt um 8:30. Ich nehme mir vor, mir eine ausgiebige Mittagspause zu erlauben. Um 14 Uhr setze ich diesen Plan tatsaechlich um, ich schnappe mir meinen Klappstuhl aus dem Kofferraum und setze mich hinter eine Schotterflaeche, auf der Heliumleitungen lagern. Von dort aus blicke ich - zugegeben etwas unromantisch - durch den Maschendrahtzaun und ein paar Strommasten an dem Umspannwerk vorbei auf die Stanford Dish zur linken und die Santa Cruz Mountains zur rechten.
Waehrend ich esse, lasse ich mich von der pralle Sonne waermen. Die Temperatur ist mit 23 Grad sehr angenehm, aber tropisch im Vergleich zum Buero drinnen. Ich trage immer Jeans, warme Schuhe, einen Pulli und eine leichte Jacke, wenn ich drinnen sitze - die Amis und ihre Klimaanlagen.
Um kurz nach 3 gehe ich wieder rein. Um kurz nach 5 komme ich wieder heraus. Auf den Geschmack der Sonne gekommen, und inspirert von dem Ausblick bei der Mittagspause, fahre ich nochmal zum Russian Ridge. Vom Parkplatz gehe ich ca 10 Minuten zu Fuss, bis ich um kurz vor 6 am Wegesrand einen schoenen Stein mit fantastischer Aussicht erreiche. Dort mache ich mich breit.
Die fantastische Aussicht konnte ich schon waehrend der Autofahrt auf dem Skyline Boulevard kurz erahnen, aber wenn man erstmal zu Fuss unterwegs ist, nimmt man das Ganze doch viel mehr wahr. Ich stelle fest, wie schoen es ist, ein zweites mal einen Ort zu besuchen. Einerseits entdeckt man wieder voellig neue Dinge, andererseits fuehle ich mich schon ein kleines bisschen heimisch. Eine Stunde lang blicke ich versonnen ueber die Berge auf den Ozean und die plueschige Wolkendecke, die sich auf ihn legt. Dann versinkt der gluehende Feuerball in den Wolken, und die Stimmung in den Bergen aendert sich schlagartig. Nach weiteren 5 Minuten sammle ich mich und will aufbrechen, da sehe ich aus dem Augenwinkel ein ungewoehnliches Muster am Fusse des Steins, auf dem ich gerade eine Stunde lang sass: Eine winzig kleine Schlange hat sich dort zusammengekraeuselt zum doesen. Ich ziehe grinsend ab, um auf dem Rueckweg einen Extraschlenker zu machen, der mich noch einen Blick ueber die Bucht von San Francisco werfen laesst. Ganz was anderes.. und genauso faszinierend wie der Blick in Richtung Ozean. Die endlosen Lichter der ineinander gewachsenen Staedte, und darueber wieder der hell erleuchtete Vollmond. Was fuer ein Bild. Ich schaetze mich ubergluecklich und unfassbar dankbar, welche unbeschreiblichen Eindruecke ich wieder und wieder in mich aufsaugen darf.
Um kurz vor 8 stehe ich mal wieder in der Kueche, dieses Mal schnippel ich Salat, Tomaten und Zwiebeln, die auch aufgebraucht werden muessen. Ich befuellealle Tupperdosen, die ich finden kann, um morgen frueh den Sonnenaufgang zu erwischen, wo ich heute den Sonnenuntergang geniessen konnte. Mal sehen, ob ich frueh genug aufstehen kann. Muede genug zum frueh schlafen bin ich jedenfalls..
Tag 44, Mi. 08.10.: Ueber den Wolken...
Der Wecker weckt mich um 6 Uhr, ich schaele mich aus den Federn und ziehe mich warm an. Dann greife ich die fertig vorbereiteten Taschen und steige ins Auto. Es ist stockfinster, und ich denke mir nichts dabei. Nach 10 Minuten stehe ich im Stau, und mein Herzschlag setzt kurz aus, als ich vor mir die Highway Patrol sehe - ein Polizist geht die mit Autos verstopfte Strasse entlang. Nach 5 Minuten geht es dann aber weiter - ein LKW hatte sich wohl in einer engen Kurve zu einer Auffahrt verkeilt und eine Weile lang mit seinem Haenger beim rangieren die komplette Strasse blockiert.
Um viertel vor 7 biege ich dann auf den Skyline Boulevard ein. Noch bin ich froh gestimmt, was sich aber aendert, als ich ploetzlich durch dichten Nebel fahre. Nach einigen Meilen weiss ich, dass es kein Nebel, sondern Wolken sind, und ich muss sogar den Scheibenwischer anmachen. Um 5 vor 7 stemme ich mich auf dem Parkplatz gegen den Spruehregen und habe den Sonnenaufgang schon aufgegeben. Kurz danach erreiche ich die Stelle, von der ich gestern ueber das Tal geblickt habe, und blicke nun gegen eine weisse Wand. Ich setze mich in den Windschatten eines Busches und fruehstuecke. Nach 10 Minuten wird die weisse Wand schlagartig heller und etwas gelblich. Das ist er also, der Sonnenaufgang. Ich bleibe noch etwas sitzen. Nach einer Weile sehe ich eine Bewegung aus dem Augenwinkel: Ein Rehbock hat sich angepirscht und wir gucken uns kurz entgeistert an. Dann trabt er federnden Schrittes im grossen Bogen um mich herum durch das hohe Gras und verschwindet im Nebel. Zufrieden packe ich meine Sachen zusammen und folge ihm, um zum SLAC zu fahren. Nicht ganz das Erlebnis, was ich mir vorgestellt habe, aber wieder etwas einzigartiges.
Abends bringe ich zum letzten mal den Muell raus, und mache mir Gedanken, was ich wann in den nachsten 3 Tagen noch zu erledigen habe: Tanken, einkaufen, das Fahrrad zu Jorge bringen, waschen, Sachen sortieren (einiges werde ich im Buero lagern, nur ein Teil wird mit nach Newport News auf den Workshop mitgenommen), die Wohnung ausraeumen, und Dinge die ich wieder vergessen habe. Ausserdem muss ich noch das Paper und das Poster fuer den Workshop fertigmachen - das Poster sogar bis Freitag, damit ich es noch am SLAC drucken kann. Ohweia, das wird stressig, also schnell ins Bett!
Tag 45, Do. 09.10.: Poster
Den ganzen Tag verbringe ich mit intensiver Arbeit an meinem Poster. Ich fange direkt nach dem Aufwachen an, noch im Bett skizziere ich einige Ideen auf ein paar Kladdeblaettern. Um 11 mache ich dann im Buero weiter, um 12 fahre ich dann erschoepft nach hause - 12 Uhr Mitternacht, wohlbermerkt. Viel mehr laesst sich uber den Tag nicht berichten, kaum dass ich zu hause bin, plumpse ich wie ein nasser Sack ins Bett.
Tag 46, Fr. 10.10.: Poster again
.. und nochmal. Weitere Ideen werden direkt nach dem Aufwachen noch im Bett auf Papier festgehalten, um 10 Uhr im Buero wird dann fieberhaft weiter an Illustrationen gearbeitet.
Mittags stelle ich dann fest, dass ich keinen Zugriff auf experimentelle Rohdaten habe, die ich zum Erstellen von Grafiken brauche. Ich kaempfe 2h lang mit der DESY IT um dann letztlich einen Weg ueber einen privaten Server finde, auf den ich die Daten von meinem DESY Buerorechner hochladen und aus den USA wieder herunterladen kann, was die Ubertragungsgeschwindigkeit auf die 100fache Geschwindigkeit der vom DESY vorgesehenen Wege beschleunigt. Um 5 Uhr vervollstaendige ich mein Poster und Nick, ein Kollege am SLAC, druckt mir mein Poster aus. Geschafft!
Wieder einmal fahre ich zum Russian Risge und lasse mich vom Sonnenuntegrang berieseln. Es badarf nicht viel: ein Stein und eine Stunde Zeit. Mir wird klar, dass ich noch nur ca 30 Minuten Anfahrt bis zum Parkplatz habe, doch nach dem LLRF Workshop wird es 1h sein. Also geniesse ich die immer wieder atemberaubende Aussicht und tauche mit allen Sinnen voll und ganz in die Landschaft ein.
Nach dem Sonnenuntergang fahre ich nach Hause, koche, und mangels guter Alternative beginne ich schon mit dem Packen und Vorbereiten fuer die Abreise morgen. Um 11 liege ich im Bett und frage mich, was ich morgen dann ueberhaupt nocht zu tun habe, aber mich beschleicht dass Gefuehl, dass doch noch so einiges zu Erledigen sein wird, an das ich noch nicht gedacht habe..
Tag 47, Sa. 11.10.: Abreise
Heute ist der Tag, an dem ich meine Wohnung im Bayview way verlassen werde. Ich weiss es zwar, doch so richtig verstehen tue ich es nicht. Um 8 Uhr werfe ich eine letze Waschmaschine an. Dann packe ich alle Essenssachen zusammen, die ich nicht verbraucht habe, und ich koche die wenigen verderblichen Dinge als Reiseproviant fuer die nachsten 2 Tage.
Nebenbei raeume und putze ich das Badezimmer und den Kleiderschrank, und das Auto fuellt sich nach und nach. Verwundert blicke ich den Rappelvollen Kofferraum - vor 7 Wochen bin ich mit einem Wannderrucksack mit Klammotten hier angekommen, heute ist kaum Luft im Kofferraum - was hat sich bloss alles seitdem angesammelt!
Ploetzlich ist es 12 Uhr, und noch immer sind einige Flaechen in der Kueche nicht fertig gewischt und es stehen noch Taschen im Eingangsbereich. Um halb 1 ist dann endlich alles geschafft und ich mache einen letzten Rundgang. Kaum zu glauben, dass diese Idylle fuer 7 Wochen mein zu Hause war, und dass ich naechste Woche nicht hierher zuerueckkehren werde.
Um 1 komme ich am SLAC an und deponiere alle Sachen im Buero, die ich nicht in Virginia brauchen werde. Danach mache ich mich dann schon wieder zum Russian Ridge auf. Dieser Ort hat mich vollends in seinen Bann gezogen, er ist faszinierend, entspannend und wohltuend. Also verbringe ich den Nachmittag versonnen lesend in der Sonne und mache mich um kurz nach 4 auf in Richtung Flughafen. Zum ersten mal fahre ich den Skyline Boulevard vorn Sataroga Gap in Richtung Nordwesten, und ich staune ob der verschlungenen Strassen durch den dichten Wald und der atemberaubenden Aussichten uber die Bay Area im Osten und die Kuestenlinie im Westen.
Um kurz nach 5 komme ich dann im Rental return center an, und um kurz nach 6 habe ich schon die Sicherheitskontrolle im Flughafen hinter mir und ich blick e vom Terminal aus auf die Landebahnen, auf denen im Minutentakt Flieger eintreffen. Ich verbringe die naechsten 5h lesend in einem gemuetlichen Ledersessel. Dann schlendere ich zu meinem Gate, und schon sitze ich im Flieger nach Charlotte. Puenktlich um Mitternach hebt die Maschine ab und ich verfalle in einen unerholsamen Halbschlaf..
Tag 48, So. 12.10.: Jetlag
Der Flug vergeht wie im Flug, 5h nach Mitternacht ist es logischerweise 8 Uhr morgens und ich habe gefuehlt kein Auge zugetan. Das lag nicht unbedingt daran, dass die Sitze ausgesprochen eng und unangenehm waren, sondern auch an meinem Platz im Speziellen: Direkt neben der Bordtoilette. Es gehen staendig Leute an einem vorbei und rummsen die klapprige Schiebetuer auf und zu, dazu schluerft die Spuelung ununterbrochen und mit jeder Person schwillt etwas mehr Klomief in die Kabine.
Nungut, also raus aus dem Klosteinparadies und rein ins Flughafengetuemmel von Charlotte. Der Flughafen ist eine Kleinstadt, und ich latsche mir die Fuesse platt. Oder bin ich einfach muede und es kommt mir nur gross vor? Egal, endloch habe ich mein Gate gefunden - E12 - und wiedermal einen Sitzplatz auf einem gemuetlichen Ledersessel. Versonnen starre ich auf den Zwergenflieger, der direkt vor mir einparkt. Eine Brotdose mit Fluegeln. Dann erklingt schon die Durchsage: Boarding begins for Flight blablabla to Tri-State. Also raffe ich mich auf. Doch ich wundere mich - ich will ja nach Newport News?!? Ich gucke zum ersten mal auf die Anzeigetafel: Gate E12, Flug nach Tri-State. Auf meinem Ticket steht: Gate E12 nach Newport News. Super. Ich frage den Steward am Schalter, er schickt mich zum Gate E2 - 5 Minuten zu Fuss.. Boarding hat schon angefangen.. ich im Halbschlaf.. Oh manno.
Schnaufend komme ich kurz darauf an E2 an, die letzten Passagiere verschwinden gerade im Finger. Ich bilde das Schlusslicht, aber besser spaet als nie. Im Flieger sitze ich dann neben Ronda, einer 70jaehrigen Sicherheitsingenieurin, die waehrend der einstuendigen Verzoegereung, die das Flugzeug auf dem Rollfeld herumsteht, auf drollige Art und Weise meine Erste Hilfe Kenntnisse abfragt. Die folgende Stunde in der Luft ist dann ploetzlich auf herum, und beim Landeanflug auf Newport News werden wir von den Regenwolken kraeftig durchgeschuettelt.
Um 11 Uhr buche ich dann zum ersten mal in meinem Leben ein Uber. Debbie kommt kurz darauf vorbei und faehrt mich zum Hotel. Dort bekomme ich sogar direkt mein Zimmer, also muss ich nicht wie befuerchtet noch bis 4 Uhr in der Lobby herumhaengen. Im Zimmer angekommen uebt das gigantische Bett dann eine Anziehungskraft aehnlich eines schwarzen Lochs auf mich aus, in dem ich augenblicklich versinke.
Um kurz nach 6 wache ich auf. Noch immer zerrt mich das Bett schwer in Richtung Erdkern. Ich pelle mich aus den 27 Decken, Kissen, Ueberdecken und Zwischendecken und verschale mich in meinen Konferenzfummel. Gefuehlt haengen meine Augenringe zwischen meinen Kniekehlen, aber das erste Willkommensgetraenk wird neben Snacks um halb 7 ausgeschenkt - das laesst sich kein Wissenschaftler etgehen.
Um 8 ist der Spuk vorbei, fast alle verschwinden in ihren Zimmern. Bozo ist hellwach und liest bis 3 Uhr. Na toll.. Nur 3h, und trotzdem habe ich mir einen Jetlag aufgesackt..
Tag 49, Mo. 13.10.: Konferenz Tag 1
Denkbar schwer faellt mir das Ausschalten des Weckers. In weiser Voraussicht habe ich ihn auf den Schreibtisch gelegt, damit ich erst aufstehen muss. Mit schweren Liedern und Gliedern tapse ich durchs Zimmer. Weil ich gestern abend nicht mehr auf einen Einkaufsbummel losgezogen bin, habe ich kein Fruehstueck.
Um 9 Uhr beginnt der erste Vortrag. Bis 10:30 Uhr werden verschiedene Beschleuniger vorgestellt, dann gibt es eine kurze Kaffepause. Jing und ich zischen schnell raus und gehen 5 Minuten durch das diesige City Center von Newport News zu einem kleinen Convenience Store, irgendetwas zwischen Kiosk und Mini-Supermarkt. Ich besorge mir Milch und Muesli, Jing kauft sich Ersatz fuer seinen zu Hause vergessenen Kulturbeutel.
Um 11 Uhr geht es dann direkt mit den naechsten Beschleunigervorstellungen weiter. Mit Rajesh, Jorge, Jing, Nashad, Nick und Julien gehe ich um 12:15 dann los, um zu mittag zu essen. Wir einigen uns auf Poke Bowl und warten nach der Bestellung geschlagene 30 Minuten auf unser Essen. Wir hasten die Schuesseln herunter und kommen trotzdem 15 Minuten zu spaet zu dem schon laufenden Vortrag. Der Nachmittag wird noch von einer weiteren Kaffepause unterbrochen, um 18:30 Uhr ist dann Feierabend. Mit Jing, Jorge und Nick gehe ich dann zu einem Mexikaner und ich esse Carnitas - absolute Koestlichkeit. Dazu bestellen wir alle eine Margarita. Wir denknen dabei an ein normales Cocktailglas, finden aber ein Weinglas auf Steroiden vor uns - ein 0.5l Glas voll mit dem suessen, aber starken Gesoeff.
Prall gefuellt und gut beschwipst bewegen wir uns um 10 in Richtung der Knepie, die am Ende des letzten Vortrags von den Veranstaltern des Workshops als Treffpunkt des Abends verkuendet wurde. Dort treffen wir auf ca 30 der insgesamt 120 Teilnehmenden. Viel passiert nicht mehr, es wird gekloent und genippt, um 11:30 macht die Bar dicht und um 12 liege ich im Bett.
Tag 50, Di. 14.10.: Konferenz Tag 2
Nachdem ich noch im Zimmer gefruhstueckt habe (tadaaa) duese ich in den Vortragssaal. Heute stehen 3 Vortraege auf dem Programm, auf die ich wirklich gespannt bin. Der erste ist vor der Kaffepause, der zweite danach. In der besagten Pause tratsche ich etwas mit einem der Sponsoren von Vadatech, und er gibt mir zwei Werbegeschenk-Tassen, von denen ich eine mit Gruessen an CJ, einen Kollegen am DESY, ueberreichen soll.
Mittags bin ich mit Du, Shree, Nick, Jorge, Jing, Julien und Rajesh bei einem Salatladen - weil ich der einzige bin, der nicht wirklich angetan ist. Im Nachhinein war der Salat echt lecker, mit viel Avocado, Blauschimmelkaese und einem kraeftigen Dressing. Der Nachmittag zieht sich dann wie Kaugummi, und ich nutze die spaete Kaffepause, um mich in meinem Zimmer kurz hinzulegen. Als ich aufwache, bleiben mir noch 3 Minuten, bis der Vortrag, den ich unbedingt sehen will, laut Plan anfaengt. 3 Minuten spaeter reisse ich die Tuer zum Vortragssaal auf - und Volker geht gerade unter Applaus von der Buehne. Ich habe den Vortrag also verpennt...
Geknickt hoere ich mir den letzten Vortrag des Tages an, dann gehe ich mit Alice, Raj, Michael, Rajesh, Jorge, Nick, Jing und Shree zur Bar des Abends. Dort Essen wir gemeinsam (Nick isst Alligator, behauptet aber, dass es 1:1 nach Huehnchen schmeckt) und lassen die Stunden ueber Cornhole und Airhockey verstreichen.
Tag 51, Mi. 15.10.: Konferenz Tag 3
Und noch ein Tag auf der Konferenz. Die Themen der heutigen Vortraege sind ueberwiegend uninteressant fuer mich. Trotzdem hoere ich mir die meisten davon an, und manche entpuppen sich als recht lehrreich.
Zu Mittag essen Shree, Nick, Jorge, Jing und ich wieder beim Mexikaner, diesmal esse ich Tacos al Pastor. Die Bedienung erkennt uns und flirtet frech mit Jorge, nennt ihn Chico und laesst ihn wieder und wieder erroeten. Nach dem Essen haengen wir dann unsere Poster auf, die wir ab 16 Uhr presentieren. Nach unzaehligen Gespraechen, in denen ich wieder und wieder mein Poster auf unterschiedlichste Art erlauetere, sind die zwei Stunden endlich herum und die Poster werden wieder eingerollt. Um 7 beginnt das Workshop Dinner. Der Vortragssaal wurde dafuer schick gemacht, und ich sitze mit Du und zwei jungen Wissenschaftlern aus Cornell und einer Mitorganisatorin des Workshops an einem Tisch. Das Essen ist mau, die Gespraeche heiter. Um halb 9 ist das Dinner schon vorbei, irgendwie ernuechternd - insbesondere, weil die Konferenzbar mit verguenstigten Preisen auch schon schliesst.
Bei dem Versuch, eine geoeffnete Kneipe in Newport News City Center zu finden, scheitern wir daraufhin klaeglich, und wir gehen zurueck ins Hotel. Dort finden wir ein kleines Saufgelage der gestandendsten Wissenschaftler*innen vor. Einige haben die Hotelbar erleichtert, andere heimlich eigene Flaschen eingeschmuggelt. Also gesellen wir uns dazu. Um 10 taucht ploetzlich eine Gitarre auf, und die Abdeckung des Fluegels wird aufgeschlossen. Um halb 11 haelt Julien die Gitarre in der Hand, und reihum werden sich Songs gewuenscht und dann gemeinsam gesungen bis gegroelt. Um Mitternacht schmettern wir dann Happy Birthday to You - Michael wird 24 - und direkt geht es weiter mit dem naechsten Song. Um halb 3 wecke ich noch den seit Stunden schlafenden Fumihiko, dann lege auch ich mich in die weichen Federn..
Tag 52, Do. 16.10.: Workshop Tag 4
Los los, aufstehen, anziehen, essen, und raus - um 8:30 faehrt der Bus zum JLAB. Heute vormittag finden die letzten Vortraege im Jefferson National Lab statt. Am Nachmittag gibt es noch eine offene Diskussionsrunde, und um 15 Uhr beginnt zum Abschluss eine Tour durch die Kryomodul-Fertigungsanlage, die Experimentierhalle C, und den Beschleunigerkontrollraum.
Noch vor der Tour hat Julien sich verabschiedet, er ist schon auf dem Weg nach New York. Nach der Tour verschwindet auch der Grossteil der anderen Workshopteilnehmenden. Chao, Raj und ich fahren gemeinsam nach Virginia Beach. Dort spazieren wir die letzten Momente des Sonnenuntergangs an der Atlantikkueste am Strand entlang, machen Erinnerungsfotos mit Neptun und gehen entspannt in einem Fischrestaurant essen. Zum kroenenden Abschluss essen wir danach in einer Eisdiele noch.. Eis (Ueberraschung), und um kurz nach 10 schlagen wir dann erschlagen vom Tag wieder am Hotel auf.
Per SMS erkundige ich mich bei Jorge, ob noch jemand auf Bartour oder anderweitig unterwegs ist - ich bekomme aber keine Antwort. Also beschraenke ich mich darauf, aufzuraeumen, meine Sachen zusammenzupacken, mich online in meinen Flug einzuchecken und zuletzt pflanze ich mich noch in die Wanne. Um kurz nach 12 steige ich aus der Wanne ins Bett. Der Wecker steht auf 3 Uhr, um 3:30 kommt mein Uber zum Flughafen. Weil ich nicht schlafen kann, lese ich noch 'ein bisschen'. Als ich wieder auf die Uhr gucke, ist es 2. Na toll.. also mache ich das Licht aus. Schlafen kann ich trotzdem nicht, ich wuehle mich hin und her.
Tag 53, Fr. 17.10.: Rueckreise nach Kalifornien
Um 3 bimmelt also der Wecker. Ich habe zwar nicht kein Auge zugetan, aber geschlafen habe ich keine Minute. Ich werfe mich in die vorbereitete Schale, fruehstuecke, raueme das Zimmer, checke aus und lasse mich zum Flughafen fahren. Dort wandle ich um 4 durch die Sicherheitskontrolle, und um kurz nach halb 5 besteige ich den Flieger nach Charlotte.
Waehrend des Fluges werde ich schrecklich muede, kann aber in dem beknackten Fliegersitz nicht schlafen. Um kurz nach 6 taumel ich dann durch Charlottes Flughafen. Ich finde einen Schaukelstuhl und mampfe ein paar glutenfreie Oreos, die ich mir noch in Newport News gekauft habe. Um nicht auf einem Flughafen einzuschlafen, gucke ich mir den ARD Film 'Sind wir noch ein Volk?' auf meinem Laptop an, und schlafe dabei ein.
Als ich wieder aufwache, sind noch alle meine Sachen da, selbst der vor mir stehende, aufgeklappte Laptop. Der Film ist laengst vorbei, das letzte Drittel habe ich verpennt. Meinen Abflug nach San Francisco zum Glueck nicht, also mache ich mich nach einigen Minuten des Aufwachens in Richtung meines Gates auf.
Den 5stuendigen Flug verbringe ich in einem Zwischenzustand von Wachen und Schlafen. Ich vertreibe mir die Zeit mit Simulationen von Regelkreisen mit optimaler Zustandsrueckfuehrung und einem weiteren ARD Film 'Mutter, Kutter, Kind'. In San Francisco angekommen, fuehle ich mich schon auf dem Flughafen wie zu hause, ist es doch schon das dritte mal in den letzten 2 Monaten, dass ich durch diese Hallen schreite.
Das Schreiten findet ein jaehes Ende in der Schlange vor dem SIXT-Schalter, an dem ich nach 30 Minuten stehen endlich meinen Autoschluessel in Empfang nehme. Im Parkhaus angekommen stehe ich dann vor einer Reihe Schlachtschiffe, ein SUV groesser als der andere. Unglaeubig druecke ich die Oeffnen-Taste auf dem Schluessel. Der Toyota RAV4 ist ein echt grosses Auto! Er ist weiss (zum Glueck!), wieder ein Hybrid (zum Glueck) und hat Allradantrieb (warum zum Geier???). Dieses mal Auto abholen lasse ich mir Zieit, gucke mir alles genauestens an und stelle mir saemtliche Systeme so ein, wie ich sie fuer richtig befinde. Dann fahre ich los in Richtung meiner neuen Unterkunft.
Auf halbem Weg dorthin faellt mir ein, dass meine gesamten Sachen ja noch beim SLAC in meinem Buero stehen. Also aendere ich den Kurs (Navi brauche ich nicht - ich kenne mich inzwischen ja aus) und komme um 2 beim SLAC an. Es passt tatsaechlich alles in den Kofferraum (allerdings mit umgeklappter Ruecksitzbank), das Fahrrad werfe ich zuletzt mit montiertem Vorderrad (!) oben drauf.
Dann faellt mir ein, dass ich noch eine detaillierte Rechung vom Krankenhaus brauche, um die Kosten von meiner Versicherung zurueckerstattet zu bekommen. Also mache ich einen weiteren Abstecher, bei dem ich einige Seiten Papier, eine CD mit meinen Roentgenaufnahmen und eine Email mit noch mehr pdf Dateien einstreiche.
Um 4 komme ich dann im Veronica Court in East Palo Alto an. Von aussen hui, von innen 'duftet' alles nach Raumlufterfrischer. Die Wohnung ist vergleichsweise Charakterlos, nahezu alles ist aus Plastik, nichtmal eine Nachttischlampe steht auf den wackeligen Nachttischchen. Lueften kann ich nur durch die Haustuer, das einzige Fester mit Blick auf eine mir nicht zugaengliche Terrasse laesst sich nicht oeffnen. Einen Garten oder ueberhaupt eine Aufenthaltsmoeglichkeit draussen habe ich auch nicht - ich vermisse den Bayview Way.
Ich raueme meine Sachen in die Schranke und stifte kraeftig Unordnung - schon fuehlt es sich ein bisschen wohnlicher an. Dann lege ich mich aufs Bett, um es mal etwas anzutesten. Das Polyesterbettzeug ueberzuegt nicht, ausserdem mufft es gehoerig nach Waschpulver. Trozdem werden mir ganz ploetzlich die Lieder schwer..
Tag 54, Sa. 18.10.: Ankommen und wieder Aufbrechen
Um 9 Uhr weckt mich der Wecker. Nicht wirklich wach plane ich den Tag. Einkaufen steht als erstes an, ich habe kein Wasser mehr und ausserdem nichts zum Fruehstucken. Zuallererst muss ich herausfinden, wo ich in der Naehe einen Supermarkt finde. Die ueblichen Verdaechtigen, Safeway, Target und Trader Joeys, sind ungluecklich weit weg. Stattdessen finde ich Cardenas Market, einen Spanischen, und Mega Mart, einen asiatischen Supermarkt, beide nur etwa einen Kilometer entfernt.
Um 12 komme ich wieder in Victorias Court an. Cardinas Market ist der mit Abstand guenstigeste Markt von allem, was ich bisher in Carlifornien gefunden habe. Der Einkauf, fuer den ich gerade nichtmal 30 Dollar ausgegeben habe, haette mich bei Safeway mindestens das Doppelte gekostet. Nach dem spaeten Fruehstueck mach ich mich dann auf den Weg. Endlich wieder eine Wanderung!
Ich habe Little Yosemite als heutiges Ziel auserkoren. Dafuer muss ich ueber die Dumbart Bridge nach Fremont und dann noch ein Stueckchen ins Landesinnere. Der Wagen kommt mir nach wie vor gigantisch vor, ich kann die auesseren Ausmasse noch schlecht einschaetzen. Trozdem faehrt er sich sportlich, und obwohl er 1.700kg leer wiegt, behauptet die Anzeige, dass er nur 5-6 Liter Benzin auf 100km verbaucht. Erstaunlich.
Am Parkplatz angekommen parke ich die Blechkiste im Schatten eines Bauemchens und ich mache mich um kurz nach 2 auf den Weg. Die geplante Route ist mit 2 Meilen recht kurz, aber ich will nicht direkt uebertreiben. Nach einer Meile beschliesse ich, die Runde auf 4 Meilen zu erweitern - es ist so schoen hier, und ich fuehle mich praechtig. Die naechste Meile hinter mir, plane ich nochmal 2 Extrameilen. Die Aussicht wird einfach immer besser, je weiter ich gehe, und ich habe noch einiges an Kraft in den Beinen. Noch eine Meile spaeter lege ich ein letztes mal 2 Meilen oben drauf. Die Tour ist damit 8 Meilen lang und hat ca 550 Hoehenmeter - meine groesste Wanderung bisher. Die endlosen Aussichten und begegnungen mit Eichhoernchen, Kuehen und sonst nichts sind jeden Schritt wert.
Um kurz nach 6 komme ich wieder am Parkplatz an. Ich krabbel in gemuetliche, frische Klamotten und mache mich auf den Rueckweg, diesmal nicht ueber die Bruecke, sondern suedlich an der Buchtspitze vorbei durch Mountain View. Dort kaufe ich nochmal einen grossen Schwung ein, weil mir noch ein Paar Dinge eingefallen sind, die ich heute morgen vergessen habe.
Um 8 komme ich in der Wohnung an. Weil ich so hungrig bin, baue ich mir aus frischem Spinat, Hummus und Avacodo ein paar vegetarsche Mais-Tacos. Unglaublich lecker! Entwas gestaerkt hupefe ich erstmal unter die Dusche. Dann koche ich zum ersten mal auf dem Gasherd und muss mich erstmal an die ganzen anderen Kochutensilien gewoehnen. Um 10 ist das richtige Essen dann fertig.
Nach dem Essen setze ich mich an den PC und schreibe Blogeintraege fuer die vergangene Woche. Jetzt ist schon wieder morgen (0:30 Uhr). Mit letzter Kraft schaffe ich es hoffenlich gleich, den Aufklapprechner entgegen seines Namens zuzuklappen..
Tag 55, So. 19.10.: Sonoma
Um 6:30 geht es los: Sachen packen (Klamotten, Essen, Getraenke) und ab ins Auto. Um kurz nach 7 heisst es dann Abfahrt. Bis San Francisco ist es Wolkenlos, doch ueber der Stadt haengt dichter Nebel - Carl the Fog ist da! Als ich die Golden Gate Bridge passiere, sehe ich kaum 20m weit. Um 9 Uhr halte ich in Guerneville, um mir Wasser zu kaufen - selbiges habe ich auf dem Kuechentisch stehen gelassen.
Um halb 10 beginne ich dann meine erste Wanderung des Tages. Sie fuehrt mich durch einen old growth redwood forest, also einen Wald mit ueber 1000 Jahre alten Redwoods! Ich lasse mir bewusst viel Zeit und Fruehstuecke im Burbank Circle des Colonel Armstrong Redwood State Natural Reserve. Im Forest Theater mache ich 10 Minuten Pause und geniesse die Stille. Danach lege ich doch einen Zahn zu und wechsle von Jogginghose und Pulli auf Wanderhose und Sporthemd - es wird warm, die Sonne bricht hier und da durch die Baumwipfel. Um halb 1 habe ich 3 Meilen und 3 Stunden im Wald hinter mir - wunderschoener Start in den Tag.
Anschliessend fahre ich an die Kueste nach Jenner. Der Parkplatz des Hawk Hill Trails ist wolkenverhangen, man kann das wenige 100m entfernte Wasser kaum sehen. Guter Dinge ziehe ich los in den kalten Nebel. Nach einer halben Stunde sehe ich im Dunst vor mir zwei gigantische Steinhaufen emporsteigen. Fasziniert begehe ich den einen - ein Baum ist hineingewachsen und beherbergt ein Heer an schimpfenden Voegeln. Ich verkruemel mich bergwaerts. Mit jedem Schritt, den ich setze, wird es blauer - ich entkomme den Wolken! Es ist Zeit fuer eine kurze Fotosession auf malerischen Steinen, die in die Landschaft gewuerfelt sind. Waehrend ich so knipse, loesen sich die Wolken mehr und mehr auf, und ich kann nach und nach mehr vom Meer sehen. Das Timing ist perfekt, ich bin nicht nur vom Wandern atemlos.
Ich gehe noch 20 Minuten weiter und finde ein zwielichtiges Honigtoepfchen am Wegesrand, das mir eher nach dem Bruder eines Dixiklos aussieht. Dann erreiche ich Hawk Hill - und ich werde noch atemloser. Unbeschreiblich beeidruckende Aussicht, dazu die Wolken, die immer duenner werden und tiefere Einblicke ins Landesinnere und die Kueste entlang zulassen. Der Rest des Weges wird nicht weniger spektakulaer, aber noch hoehere Hoehepunkte gibt es nicht. Erwaehnenswert ist vielleicht noch die Kuhherde, die ich mulmigen Gefuehls durchschreite. Ich erinnere mich an die Statistik, dass es unwahrscheinlicher ist, von einem Hai getoetet zu werden, als von einer Kuh.. Um halb 5 habe ich die 4.5 Meilen vollendet und ich erreiche den Parkplatz. OHne lange zu fackeln fahre ich in Richtung Sueden zum Bodega Head, dem Zipfel einer Halbinsel, die einige Meilen auf den Pazifik ragt.
Am Bodega Head komme ich um viertel nach 5 an, und ich ziehe direkt auf den 2 Meilen trail los - dann schaffe ich es noch rechtzeitig zum Sonnenuntergang zurueck. Die Route ist komplett eben und ein entspannter Ausklang fuer das erlebnisreiche Wochenende. Sie bietet wunderschoene Aussichten auf die Kuestenline in Richtung Sueden und die Steilkueste von Bodega. Am Parkplatz angekommen, statte ich mich mit meinem Mittagessen, meinem Klapptstuhl und einer Kuscheldecke aus und setze mich an besagte Steilkueste. Um mich herum fliegen die Moewen, Pelikane und was weiss ich fuer komische Voegel, und vor mir geht die Sonne langsam unter. Ich bleibe noch ein paar Minuten sitzen, aber der Wind laesst mich trotz Decke froesteln. Also setze ich mich ins warme Auto und brause 2h lang ueber die East Bay Highways, bis ich um 9 in der Wohnung im Victoria Court ankomme.
Ich raeume das Auto aus, die Kueche auf, und beginne etwas schnelles zu Kochen. Dann schreibe ich etwas an dem heutigen Blogeintrag, und weil es schon kurz vor 11 geworden ist, dusche ich noch kurz, bevor ich ins Bettchen huepfe. Morgen muss ich quer durch Stanford zum Slac fahren - mal sehen, wie lange das dauert, ich ahne nichts gutes....
PS: Ich habe vermutlich auf Bodega im Sturm eine von meinem Lieblingswollsocken verloren :'(
Tag 56, Mo. 20.10.: Zurueck in die Zukunft
Ich komme ich so frueh los, wie ich gehofft hatte, stehe also um kurz vor 9 mitten in Palo Alto im Stossverkehr. Dazu fuehrt mich meine Route mitten durch die Einkaufstrasse - auf der Karte sah das nach einer Hauptverkehrsader aus. Trotdem brauche ich nur 40 Minuten - nur ist gut, vom Bayview way waren es mit Stau nie mehr als 20.
Im Buero geht es direkt weiter, als haette die Konferenz nicht stattgefunden. Zumindest mache ich grosse Fortschritte, Jorge und ich testen meine Entwicklung und fragen einen Testzeitraum an - vermutlich naechste Woche Mittwoch.
Auf dem Nachhauseweg halte ich beim Coin Wash und wasche meine Konferenzklamotten. Auch eine Erfahrung, aber keine allzu wundervolle. Es ist einfach unpraktisch, dass man nicht kochen oder aufrauemen, sondern nur am PC etwas machen kann, waehrend die Waesche vor sich hin taumelt. Aber ich nutze die Zeit und lade die Fotos der Vorwoche hoch - da hat sich ganz schoen was angesammelt. Ausserdem schmiede ich Plaene fuer die naechsten Wochenenden - es sind ja auch schon die letzen beiden. Ich werde es ordentlich krachen lassen: diesen Sonnabend nehme ich mir Lake Tahoe vor, das naechste Wochenende dann Yosemite.
Das Gewasche und Getrockne dauert insgesamt ca 1h. Um kurz vor 8 schlage ich dann endlich in der Wohnung auf und darf ja noch kochen. Um 10 bin ich dann mit dem Essen und dem ersten Arbeitstag der letzten Episode Kaliornien fertig.
Tag 57, Di. 21.10.: nur mal eben schnell..
Auf dem Hinweg nehme ich diesmal eine Parallelstrasse, wie Jorge mir geraten hat. Er hat 6 Jahre lang in East Palo Alto gelebt, kennt also den Verkehrswahnsinn. Ich bin nicht wirklich schneller, aber die Fahrt ist angenehmer, weil deutlich weniger Verkehr und Ampeln vorhanden sind.
Heute steht auf dem Plan, meine Entwicklung aufzupolieren und aufzuraeumen, damit sie presentierbar wird. Funktional steht alles, jetzt darf ich nur beim aufhuebschen nichts wieder kaputt machen. Im Prinzip ist das nicht gross kompliziert, aber der Teufel steckt im Detail: Ich sitze bis abends um 20 Uhr im Buero, bin aber fertig.
Der Rueckweg ist dann nahezu ohne Verkehr, trotzdem brauche ich knapp ueber 20 Minuten. Nach dem Abendessen ist es wieder kurz nach 10. Ich schenke mir etwas Wein ein und doese ueber einem Film in die Nacht hinein.
Tag 58, Mi. 22.10.: Aus dem Westen nichts neues
Der Test naechsten Mittwoch steht. Es gibt ein paar Anforderungen an meine Entwicklung, die noch nicht ganz erfuellt sind, also muss ich nochmal Aenderungen einarbeiten. Ausserdem stelle ich ein paar Berechnungen an, um eventuell noch einen neuen Regelalgorithmus mit in den Test einbauen kann. Und dazu will der Test noch konkret vorbereitet werden.
Ich mache schon um 5 Feierabend, um noch zu einem Outdoorshop zu fahren - ich moechte mir eine Regenhose kaufen, weil es am Wochenende in Tahoe leider regnen und vielleicht sogar schneien soll. Dummerweise habe ich den Nachmittagsverkehr ausser acht gelassen, also stap-and-goe ich durch die Stadt und brauche eine halbe ewigkeit bis zum Sports Basement in Redwood City. Dort finde ich dann nichtmal eine Regenhose, die preislich nicht voellig uebers Ziel hinausschiesst (hallo? Ich gebe doch nicht 180Euro oder mehr fuer eine REGENHOSE aus??!?!?) und ich halte auf dem Heimweg noch bei Target. Dort kaufe ich aus Frust eine nicht Regenfeste Hose. Ja, das ist idiotisch, aber es ist so passiert.
Wieder ist es 8, als ich die Doppeltuer zu meiner Einzimmerwohnung oeffne. Ich komme ins Gruebeln und gucke nochmal in den Wetterbericht. Plan ist geaendert: Ich nehme mir Freitag frei und ziehe die Tour vor - das bringt mir Sonnenschein und 19 Grad statt Regen bei 9 Grad. Dann faellt mir ein, dass Lake Taho Bear Country ist, und ich beginne mit Baerenrecherche, waehrend ich das Essen fuer Freitag vorbereite...
Tag 59, Do. 23.10.: Nervenkitzel
Verunsichert von dem Wissen, in aktives Baerengebiet zu wandern, spreche ich mit erfahrenen Wanderern beim SLAC. Sie empfehlen mir, zur Beruhigung spezielles Pfefferspray zur Baerenabwehr mitzunehmen. Wenn ich das Glueck haben sollte, einen Baeren zu treffen, dann wird es zu 100% ein Schwarzbaer sein, und die sind zu 95% aengstlich und verkruemeln sich, wenn sie Menschen wahrnehmen. von den verbleibenden 5% lassen sich die meisten durch korrektes Verhalten verschrecken - lautes, aber entspanntes Sprechen, mit den Armen ueber dem Kopf Winken und nicht Weglaufen. Und sollte doch ein Baer frech, neugierig oder aggresiv sein, hilft das Abwehrspray in 98% der Faelle, wobei die 2% Fehlquote auf unsachgemaessen Gebrauch des Sprays zurueckgefuehrt wird.
Ich ueberzeuge mich also davon, ein Spray zu kaufen, und ich miete mir dazu einen Bear Safe Container, in dem ich Essen im Auto aufbewahren kann, waehrend ich wandere. Jorge fragt, warum ich nicht die Nacht auf Freiag in einem Hotel oder AirBnB verbringe, so koennte ich am Sonnabend nochmal auf Tour gehen, wenn ich schonmal so weit gefahren bin. Also buche ich kurzerhand ein Zimmer in Folsom bei Sacramento. Ausserdem buche ich einen Zeltplatz im Camp 4 im Yosemite Nationalpark, von Donnerstag bis Sonntag. Der Plan ist, Donnerstag abend schon dort anzukommen, so habe ich zwei ganze Tage zum Erkunden und dazu noch den Abreisetag, an dem ich vielleicht noch eine kleine Tour machen kann.
Ist das alles aufregend.. Zwischen dem ganzen Outdoorplanen schaffe ich es tatsaechlich noch etwas fuer den Test naechste Woche vorzubereiten. Zu Hause packe ich dann die Sachen fuer Lake Taho und jetzt gehe ich ins Bett. Es ist zwar erst 9, aber ich will ja um 4 Uhr schon aufstehen...